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Sonntag, 21. Februar 2021

Gottfried Keller: Spiegel, das Kätzchen illustriert von Helmut Knorr

 Helmut Knorr (1917 Berlin - 1985 Berschlis), Grafiker, Illustrator und Karikaturist.

Im Mittelungsblatt der Schweizerischen Bibliophilen-Gesellschaft schrieb Erwin Poeschel unter anderem 1951:

Wer die gegenwärtige Buchillustration verfolgt, dessen Aufmerksamkeit werden auch andere Arbeiten seiner Hand nicht entgangen sein, vielleicht die Illustrationen zu der spanischen Mcisternovelle der «Dreispitz» von Alarcón, zu «Bulemans Haus» von Storm (beide im Scientia-Verlag noch unter dem Pseudonym Rene Robert erschienen) oder die Zeichnungen zu «1001 Nacht» (Verlag Werner Classen), vor allem aber auch jene zu «Spiegel das Kätzchen» von Gottfried Keller, die den als eines der schönsten Bücher des Jahres 1949 prämierten 15. Band der Zürcher Drucke von Fretz und Wasmuth schmücken.

 



Aber diese Leute liessen Spiegel gar nicht zu Worte kommen, sondern warfen ihm Pantoffeln und das artige Fussschemelchen der Seligen an den Kopf, sooft er sich blicken liess...



Da kam der Stadthexenmeister Pineiss des Weges, sah das Kätzchen und stand vor ihm still.

...so war er zum Stadthexenmeister ernannt worden und bekleidete das Amt schon seit vielen Jahren mit unermüdlicher Hingebung und Geschicklichkeit, früh und spät. Daher war sein Haus von unten bis oben vollgestopft mit aller erdenklichen Dingen, und Spiegel hatte viel Kurzweil, alles zu sehen und zu beriechen.

Da ging der Mond über der Stadt auf und warf seinen Schein auf die Schwarzen bemoosten Hohlziegel des alten Daches, ein lieblicher Gesang tönte in Spiegels Ohren und eine schneeweisse Kätzin wandelte glänzend über einen benachbarten First weg....Er eilte ihr entgegen und war bald im hitzigen Gefecht mit drei fremden Katern begriffen, die er mutig und wild in die Flucht schlug.



...und setzte sich in der Hexenküche trotzig vor den Meister hin in allseiner Magerkeit und Zerzausheit. Als Herr Pineiss erblickte, wie er so schmählich um seinen Gewinn gebracht war, sprang er wie besessen in die Höhe und schrie wütend: "Was seh ich? Du Schelm, du gewissenloser Spitzbube! Was hast du mir getan?"

Als Spiegel in seinem Käfig ihm endlich fett genug dünkte, säumte er nicht länger, sondern stellte vor den Augen des aufmerksamen Katers alle Geschirre zurecht und machte ein helles Feuer aufdem Herd, um den lang ersehnten Gewinn auszukochen.

 
 
"...Aber  wie soll man drei solche Dinge zusammenbringen in dieser gottlosen Stadt: zehntausend Goldgülden, eine weisse, feine und gute Hausfrau und einen weisen rechtschaffenen Mann! Daher ist eigentlich meine Sünde nicht allzugross, den der Auftrag war zu schwer für eine arme Katze!"

Als sie über den Sankt Gotthard ritt auf einem Eselein, war ihre Gesinnung so schwarz und schaurig wie das wilde Gestein, das sich aus den Abgründen emportürmte, und sie fühlte die heftigste Versuchung, sich von der Teufelsbrücke in die tobenden Gewässer der Reuss hinabzustürzen.


Jetzt kannte sie nur eine Mühe und Besorgnis, diejenige nämlch, dem schönen und guten Jüngling zu gefallen, und je schöner sie selbst war, desto demütiger und unsicherer war sie jetzt, da sie zum ersten Male eine  wahre Neigung gefasst hatte.

 

In demselben Augenblick aber, in welchem das Fräulein sein Geständnis anhörte, das sie so sehnlich erwartet, überfiel sie ihr altes Misstrauen und es fiel ihr zur unglücklichen Stunde ein, dass ihr Liebhaber ein Kaufmann sei, welcher am Ende nur ihr Vermögen zu erlangen wünsche, um seine Unternehmungen zu erweitern.


...und liess den Schatz vergnügt in ihre Schlafkammer tragen, wo sie ihn eigenhändig in ihrer Reisetruhe verschloss und den Schlüssel in den Busen steckte.


Nun hielt sie sich nicht länger in Mailand auf, sondern reiste ebenso fröhlich über den St. Gotthard zurück als schwermütig sie hergekommen war. Auf der Teufelsbrücke, wo sie hatte hinabspringen wollen, lachte sie wie eine Unkluge und warf mit hellem Jauchzen ihrer wohlklingenden Stimme einen Granatblütenstrauss in die Reuss, welchen sie vor der Brust trug,...


Der Seldyler kam glücklich davon, und sobald er sich in etwas erholt und ausser Gefahr sah, schrieb er die Worte des Ungekommenen getreu auf seine Schreibtafel, um sie nicht zu vergessen, reiste nach Hause, meldete sich bei dem unglücklichen Fräulein und las ihr die Botschaft so steif und kriegerisch vor, wie er es zu tun gewohnt war...Das Fräulein aber zerraufte sich die Haare, zerriss ihre Kleider und begann so laut zu schreien und zu weinen, dass man es die Strasse auf und nieder hörte...

...und Spiegel zeigte dem Hexer den Weg zu dem alten Brunnen, welcher unter verwildertem Gebüsche verborgen war. Dort liess Pineiss sein Laternchen hinunter, begierig nachblickend, während er den angebundenen Spiegel nicht von der Hand liess.


...und rief: "Genug, du Plappermaul! Sag jetzt unverzüglich: wo ist sie, von der du weisst?"


So scharf die weissen Kanten und Ecken ihrer Kleidung, so scharf  war auch die lange Nase und das Kinn der Beghine, ihre Zunge und der böse Blick ihrer Augen....

In einem Loch am Schornstein sass ein alter Eulenvogel, und zu diesem begab sich jetzt der befreite Spiegel, eine fette Maus im Munde, die er unterwegs gefangen....erzählte Spiegel der aufmerksamen Eule alles, was ihn betroffen und wie er sich aus den Händen des Herrn Pineiss befreit habe.


Da spannten sie das Garn aus über den Schornstein und setzte sich daneben still und klug;....Da rief die Hexe von unten: "Ist die Luft rein?" Die Eule rief: "Ganz rein, es stinkt herrlich in der Fechtschul!" und alsbald kam die Hexe heraufgefahren und wurde in dem Garne gefangen, welches die Katze und die Eule eiligst zusammenzogen und verbanden.

Am Morgen erschien Spiegel bei Herrn Pineiss und meldete ihm, dass er die bewusste Person ansehen und freien könne; sie sei aber allbereits so arm geworden, dass sie, gänzlich verlassen und verstossen, vor dem Tore unter einem Baum sitze und bitterlich weine....Dort traf er ein weinendes Frauenzimmer sitzen unter einem Weidenbaum, von so grosser Schönheit, wie er noch nie gesehen;...


...und als er in die Stube zurückkehrte, sass die alte weisse Beghine, seine Nachbarin, am Tische und sah ihn mit einem bösen Blick an. Entsetzt liess Pineiss den Leuchter fallen und lehnte sich zitternd an die Wand...und in der Stadt hiess es, als es ruchbar wurde: "Ei seht, wie stille Wasser tief sind!mWer hätte gedacht, dass die fromme Beghine und der Herr Stadthexenmeister sich noch verheiraten würden!

...und wenn Spiegel vorüber ging und es sah, sagte er freundlich: "Immer fleissig, fleissig, Herr  Pineiss?"  Seit dieser Zeit sagt man zu Seldwyla: Er hat der Katze den Schmer abgekauft! besonders wenn einer eine böse und widerwärtige Frau erhandelt hat.




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