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Mittwoch, 11. Juni 2025

Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen: DER ABENTEUERLICHE SIMPLICISSIMUS mit Lithographien von A. Paul Weber, 2. Teil

 

Da wir aber nach Paris kamen....


Sie satzten sich alle drei zugleich nieder, dass ich also nicht erraten konnte, welche die Vornehmste unter ihnen gewesen, vielweniger welcher ich zu dienen dawar.

...ferner ein blau Wasser aus Lauge, Kupfer, Sal armoniacum und Camphor vor den Scharbock, Mundfäule, Zahn- und Augenwehe....

...musste demnach wider  meines Herzens Willen ein Musketier bleiben und Hunger leiden bis in den Sommer hinein.

Darauf fingen wir ein solch ernstlich Spiel miteinander an, so eines jeden verbitterte Stärk genugsam zu erkennen gab, und konnt doch keiner den andern Meister werden...

Nachgehends stund es nicht lange an, dass meinem Obristen sein Schreiber mit Tod abging, an dessen Statt er mich zu sich nahm...

Derowegen wollte sie sich nicht  so schlechtlich in die  Niedere begeben und ihr das Fell zerreissen lassen, sondern sie begab sich auf meinen eignen Kopf, weil sie keinen höheren Ort wusste, und als ich ihr wehrte, fiel mir der Hut herunter.

...ob er vielleicht noch einen lebendigen Atem in sich hätte; da ich  ihn aber ganz entseelt befand, dünkte mich ungereimt zu sein, einem toten Körper so viel Geld zu lassen....zog ihm derowegen das gölden Fell ab, so ich erst gestern gemacht hatte....

gingen wir bei Beschliessung des Tors samt einem getreuen Wegweiser aus der Stadt...

Solche und dergleichen sehr viel andre Sachen brachte meine Schwägerin vor, woraus ich ihre Liebe gegen meinem Kind leicht spüren können, welches dann dort in seinen ersten Hosen herumlief und mich im Herzen erfreute.

...verwandte ich meinen Diskurs wieder auf die Geiss und fragte, ob er sie der Wirtin in der Küche verkauft hätte, das mich befremde, weil die Sauerbrunngäste kein alt Geissfleisch zu geniessen pflegten.


...dann ich hatte einen Ekel ab aller Weiber Beiwohnung und Gemeinschaft gefasst, dass ich mir vornahm, weil mirs so übel mit ihnen gegangen, mich nicht mehr zu verheuraten.

Daselbst fing ich an, so grosse Steine hineinzuwerfen, als ich sie immermehr erheben  und ertragen konnte.

Sie konnten sich mein Gespräch nicht richten, sondern sahen einander an wie lebendige Stockfische, bis sie sahen, dass ich fein nüchtern aus meinem Hut den ersten Trunk tät.

Solches schrien sie einander alle zu, und damit rannte ich mit verhängtem Zaum an die Feinde  und schlug dem  Ersten, den ich antraf, welcher ein Mirsa (Prinz) war, den Kopf entzwei...

Daselbst hat der geliebte Leser verstanden, dass ich wiederum ein Einsiedler worden....

...dann sobald ich die Augen zugetan hatte, sah ich in einer tiefen abscheulichen Gruft das klingende  höllische Heer...

"Wozu dient dies Gezänk?" sagte Lucifer. "Jedes Teil erweise, was er vor dem anderen unserm  Reich vor Nutzen schaffe, so wollen wir daraus judizieren, welchem unter euch der Vorzug gebühre, als um welchen es vornehmlich zu tun.

Mit solchen und dergleichen Anfechtungen und Gedanken ward ich gequält, bis ich mich endlich entschloss, aus einem Wald- ein Wallbruder oder Pilger zu werden.

Wann mich aber irgends ein Fürwitziger meiner  Seltsamkeit wegen aufnahm, um etwas Wunderliches von mir zu hören, so tractierte ich denselben, wie ers haben wollte, und erzählte ihm allerhand Storgen (Windbeuteleien), die ich hin und wieder auf meinen weiten Reisen gesehen, gehört und erfahren zu haben vorgab...

Als es nun um Mitternacht ward, öffnete sich die Türe, wiewohl ich sie inwendig wohl verriegelt hatte. Der Erste, so hinein trat, war eine ansehnliche gravitätische  Person mit einem langen weissen Bart, auf die antiquitätische Manier mit einem langen Talar von weissen Atlas und goldnen Blumen, mit Genet gefüttert, bekleidet; ihm folgten drei auch ansehnliche Männer, ...


Solchergestalt führten sie mich als einen wilden Mann in den Flecken und Städten an dem roten Meer herumer und liessen mich um Geld sehen, mit Vorgeben,  sie hätten mich in arabia deserta fern von aller menschlichen Wohnung gefunden und gefangen bekommen.


Wir zogen sie aus christlicher Liebe auf trucken Land....waren wir desto geschäftiger, sie wieder zu sich selbst zu bringen, ...auf den Kopf stellten, bis bis eine ziemliche Menge Wasser von ihr geloffen.

Wir schenkten ihm bei unserer Abreise eine englische Brille (Brennglas), damit er Feuer von der Sonne anzünden könnte, welches auch das einzige war, so er von uns bittlich begehrte....



































Samstag, 7. Juni 2025

Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen: DER ABENTEUERLICHE SIMPLICISSIMUS mit Lithographien von A. Paul Weber, 1.Teil

 Andreas Paul Weber (* 1. November 1893 in Arnstadt; † 9. November 1980 in Schretstaken bei MöllnSchleswig-Holstein) war ein deutscher LithografZeichner und Maler.






Sonst war ich ein trefflicher Musikus auf der Sackpfeife, mit deren ich schöne Jalemigesänge (Trauergesänge) machen konnte....

,,dass ich alsbald zur Erde niederfiel und alle viere von mir streckte; ja ich regte vor Angst keine Ader mehr, und wiewohl die Reuter ihres Weges fortritten und mich ohne Zweifel vor tot liegen liessen, so hatte ich jedoch denselbigen ganzen Tag das Herz nicht, mich aufzurichten...


Darauf nahm er mich in seine Arme und druckte mich küssend viel härter an seine Brust, als einem Mann, wie er zu sein schiene, hätte möglich sein können.

...denn fressen und saufen, Hunger und Durst leiden, huren und buben, rasseln und spielen, schlemmen und demmen, morden und wieder ermordet werden, totschlagen und wieder zutod geschlagen werden, tribulieren und wieder getrillt werden, jagen und wieder gejagt werden...

Ich ging hinein, konnte aber keines lebendigen Menschen gewahr werden, hingegen lagen die Gassen hin und her mit Toten überstreut, deren etliche aber bis aufs Hemd ausgezogen waren.


Ich habe zween Mausköpfe sehen hängen, die wollten einsmals bei der Nacht stehlen, und als sie die Leiter angestellt und der eine in Gottes Namen einsteigen wollte, warf ihn der wachtsame Hausvater in Teufels Namen wieder herunter, davon er ein Bein zerbrach und also gefangen und über etliche Tage hernach samt seinem Camerad aufgeknüpft ward.


Ich eilte und brachte das Lavorbecken, und als ich zu ihm kam, hatte  er ein paar Backen wie ein Trompeter ....und goss eine solche wüste Materie in bemeldetes Lavor, dass mir vor unleidlichem Gestank schier ohnmächtig ward....


Darauf fragte mich mein Herr, was der tolle Fähnrich bei mir  im Gänsestall zu tun gehabt, Ich antwortete: Er brachte eine Jungfrau zu mir hinein."  "Was tat er aber weiter?" sagte mein Herr, ich antwortete: "Mich deuchte, er wolle im Stall sein Wasser abgeschlagen haben." Mein Herr fragte: "Was tat die Jungfrau dabei, schämte sie sich nicht?" "Ja wohl mein Herr," sagte ich, "sie hob der Rock auf und wollte dazu...scheissen."

 
Damit machte ich mich wieder nach Haus und brachte mehr als hundert Buben mit, die mir nachliefen und abermals alle wie Kälber schrien, derowegen lief mein Herr, der eben aufgestanden war, ans Fenster, sahe so viel Narren auf einmal und liesse ihm belieben, darüber herzlich zu lachen.



Und demnach mein Herr sahe, dass ich Lust zur Musik  hatte, liess er mich solche lernen und verdingte mich zugleich einem vortrefflichen Lautenisten, dessen Kunst ich in Bälde ziemlich begriff und ihn um soviel übertraf, weil ich besser als er darein singen konnte.


Als ich nun so stund und den Spielplatz samt den Spielern in ihrer Torheit betrachtete, sagte mein Hofmeister, wie mir das Wesen gefalle. Ich antwortete: "Dass man so greulich Gott lästert, gefällt mir nicht; im Übrigen lasse ichs in seinem Wert und Unwert beruhen als eine Sache, die mir unbekannt ist und auf welche ich mich noch nichts verstehe."


Der Rittmeister und sein Knecht lagen im gleichen Spital krank; derowegen befahl er seinem Weib, sie solle mich besser kleiden lassen, damit sie sich meines garstigen Bauernkittels nicht schämen dörfte. Sie tät mehr, als ihr befohlen war, und putzte mich heraus wie eine französische Poppe....


Zu solchen Ende zog ich den Harnisch aus....
Da ich anfing zu schlachten, die Nägel wurden rot,
Sprach ein Laus zu der anderen: "O wie ein bittrer Tod!
...mich kriegte ein Dragoner, und die beste Beute, die er von mir hatte, war meines Obristenleutnants Küriss, welchen er zu Soest, da er im Quartier lag, dem Commandanten ziemlich wohl verkaufte. 


Sie kam im Hemd zu mir in die Küchen, hatte den Rock über der Achsel hangen und stund so nahe neben mich, dass sie mich damit rührte; sie griff nach einem Brand, hielt das Licht daran und fing an zu blasen; ich aber blies viel stärker zu als sie selbsten, davon das gute Mensch so erschrak, dass sie vor Angsten zitterte und bebte, auch Feuer und Licht fallen liess und sich zu ihrem Herrn retirierte.




Mein toller Gegner vermeinte, die Muskete hätte mir versagt und das Zündloch wäre mir verstopft, sprengte derowegen mit einer Pistol in der Hand gar zu begierig recta auf mich dar in der Meinung, mir meinen Frevel zu bezahlen und den letzten Rest zu geben. Aber ehe er sichs versahe, hatte ich die Pfanne offen und wieder angeschlagen, hiess ihn auch dergestalt willkommen sein, dass Knall und Fall eins war.


Einmal, ich fasste wieder ein frisch Herz und ging ganz unverhindert und ohn alle Furcht zu dem Loch, das ich erst durch den Schuss geöffnet hatte; da fing ich an, die Mauer vollends einzubrechen, und fand von Silber, Gold und Edelgesteinen einen solchen reichen Schatz, der mir noch auf diese Stunde wohl bekäme, wann ich ihn nur recht zu verwahren und anzulegen gewusst hätte.


Im übrigen hielt ich mich sehr still und eingezogen, also dass sich die Leute verwunderten, wann sie sahen, dass ich stets über den Büchern sass wie ein Student, da ich doch Raubens und Blutvergiessens gewohnt war.

Ich ward aber gar ungestüm aufgeweckt; dann morgens um vier Uhr stund der Obristenleutnant vorm Bette mit einer Pistol in der einen und einer Fackel in der andern Hand. "Crabat (Kroat)," schrie er überlaut seinem Diener zu, der auch mit einem blossen Säbel neben ihm stund, "geschwind, Crabat, hole den Pfaffen!"











Dienstag, 3. Juni 2025

Jack London: Vor Adam, illustriert von Willy Planck

 Willy Planck (* 12. Dezember 1870 in Stuttgart; † 17. März 1956 in Herrenberg) war ein deutscher Maler und Grafiker. Er gilt als einer der bedeutendsten und produktivsten deutschen Buchillustratoren der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Viele seiner Illustrationen wurden auch in den fremdsprachigen Ausgaben der Bücher verwendet, so dass der Künstler auch dem internationalen Publikum bekannt wurde. Schon in frühen Jahren taub, gehört er zu den zeitlos modernen Illustratoren von Karl Mays Werken. WIKIPEDIA







Wie wollen es als feststehende Tatsache ansehen,  dass wir uns eines schönen Tages von den Bäumen herabgeschwungen haben, diese unsere  bisherigen Wohnsitze verliessen und aufrecht einherzuschreiten begannen...


Sie  wandten sich mit glänzenden Leibern um die Stämme und verfolgten ihn höher, immer höher hinauf bis in die Baumwipfel...

Das Scheusal!  - Der Schreckliche!


...das Gebell der wilden Hunde, die ihn über die Lichtungen in das Waldesdunkel jagten....


Mit dem sich festklammernden Kinde sprang die Mutter in die Höhe und erfasste einen der überhängenden Äste. Schon im nächsten Augenblicke sauste der Eber mit wetzenden Hauern unter ihr durch.

Eine grosse Schönheit freilich war dieser Vater nicht....


Dann sich nur mit einer Hand festhaltend, pendelte er in Reichweite über den Schweinen hin und her und stachelte die zähneknirschenden Tiere immer wieder zu neuen Wutausbrüchen an.


Kam der Kerl in Sicht, so kroch der Junge zur Mutter und klammerte  sich an sie.


Nachhaltigeren Eindruck hatte bei ihm eine Eidechsenjagd auf einem kahlen Felsrücken hinterlassen. Die behenden Tierchen schlüpften unter das Gestein und entkamen ihm meist...


Rotauge war in jeder Beziehung ein Ungeheuer. Körperlich war er ein Riese, der mindestens seine 170 Pfund wog.


Hier, eng umschlungen, einer im Arm des andern, schliefen sie die Nacht über.


Jetzt brach plötzlich ein Höllenlärm los. Die ganze Front der steilen Klippe war dicht mit allem Volke besetzt; auf allen Felsvorsprüngen und an den Höhleneingängen drängte sich eine vielköpfige Menge und kreischte und schrie in allen Tonarten auf das Raubtier hinab.



Und da erblickte er, zum erstenmal in seinem Leben, fern im Nordosten, jenseits des Flusses, ein geheimnisvolles Etwas - eine Rauchsäule.


Unten im Walde knackte ein trockener Zweig. Gleich darauf erblickte Grosszahn seinen ersten Feuermenschen.


Noch einmal versuchte Hängohr, den Pfeil durch das Fleisch zu ziehen, doch Grosszahn fiel ihm ärgerlich in den Arm.


Sie bemerkten ihn am Morgen im Urwalde und schimpften  aus ihrer sicheren Stellung hoch auf den Bäumen auf ihn hinab.



Vorsichtig dahin schleichend, bogen sie um eine Felsecke und überraschten drei junge Hündchen, die vergnügt an der Sonne spielten.


Sein Anblick war schauderhaft. Mit blutbedecktem Gesicht schnarrte er und und knirschte mit den Zähnen wie ein Eber.


Eines Tages ruderte jeder mit seinem eigenen Stamm zu seinem Freunde  hin.


Das Mädchen war auf dem Körper nur dünn behaart, nur die Aussenseiten der Arme und Beine trugen ein kräftigeres Haarkleid, ebenso ihre Schultern.


Grosszahn sah, dass die Flinke sich von allen ihm bekannten Frauen unterschied, und das machte sie nur um so anziehender für ihn.


Am Ufer stand Rotauge. Er kroch auf die äusserste Kante der aufgetürmten Baumstämme hinaus und starrte die jungen Leute mit hasserfüllten Augen an.


Dabei grölte der Unhold in wilder Freude und jubelte über das ihnen drohende Verderben.



Grosszahn erspähte einen sehr alten Burschen, der unter einem Baume sass.



...und eine kalte Nacht verbrachten sie, eng umschlungen,  auf der Zinne eines schlanken Felsenturms.


Ab und zu stand einer  oder der andere auf, um mehr Holz auf das Feuer zu werfen.


Der Junge schürte also das Feuer mit dem Stock, brachte grosse Massen glühender Kohle  hoch und wirbelte  Wolken weisser Asche hoch.


An einem stillen Abend hatte sich das Volk auf dem Dorfplatze versammelt. Plötzlich kam die Sängerin vom Trinkplatze her in wilder Hast. Rotauge verfolgte sie. Hilfesuchend warf sie  sich ihrem Manne in die Arme. Der arme kleine Krummbein war zu Tode erschrocken. Aber er war ein Held. Er wusste, dass ihn der Tod anstarrte, aber es fiel ihm nicht ein, davonzulaufen.


Er sprang blitzschnell an der Klippe hinauf,  aber schon waren die Hunde hinter ihm drein, und eine magere, hungrige Bestie biss sich mitten im Sprunge in sein Bein ein.



Grosszahns Hordengenossen flohen in wilder Hast durch den Wald nach den Höhlen  zu.


Rastlos verfolgte er sie von Baum zu Baum.


Die Hyäne stellte sich bald darauf unter dem Baume ein, hockte sich unter denselben und blickte mit hungrigen Augen und schmatzenden Lippen hinauf.


Vorsichtig gemacht durch diese erste Erfahrung, hielten sie sich zunächst weit genug vom Fusse der Klippe entfernt, um gegen die Steingeschosse sicher zu sein. Von da aus sandten sie einen wohlgezielten Pfeilhagel gegen die Klippe.


Ihr Pfeilregen brachte viele Flüchtlinge herab, doch eine gute Anzahl Unverletzter oder nur leicht Verwundete erreichte die Höhe und entkam.


Plötzlich wichen die Jäger von dem Baume zurück, doch sie waren nicht flink genug. Rotauge landete mit einem fliegenden Satze mitten unter ihnen. Er war ungeheuer erbost und schlug mit seinen langen Armen um sich als wären es Dreschflegel.


Mager, zerzaust, mit faltiger Haut und fahlen Gesichtern, wanderte die kleine Schar durch die dämmerige Wildnis.