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Donnerstag, 18. März 2021

Toine, Guy de Maupassant, Illustrations de Mesplès

Paul-Eugène Mesplès (1849-1924) est un artiste français, surnommé le « peintre des danseuses » : figure du Montmartre de la Belle Époque, il était aussi un graveur et un musicien accompli. Il signait parfois Un Tel.  

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 Wo mir eine deutsche Übersetzung zur Verfügung stand, habe ich einen deutschen Text hinzugefügt.

 

 

C. Marpon et E. Flammarion, 1886.

 



Auf zehn Meilen in der Runde kannte man ihn, den alten Toni, den dicken Toni, den feinen Toni, Anton Mâcheblé, genannt Brûlot, den Gastwirt von Tournevent.

Er hatte den kleinen Ort berühmt gemacht, der in einer Bodensenkung des Thales lag, das sich zum Meer herabzog, ein armseliges Dorf, nur aus zehn normannischen Häusern bestehend, von Gräben und Bäumen umhegt.

(Toine ist eine Kurzform für Antoine. Für Maupassants Erzählung Toine wurde in der deutschen Übersetzung  als Titel Schnaps-Anton gewählt.)
– Dis donc, pé Toine, tu m'invites à fricasser l'premier, pas vrai ? A cette idée de fricassée, le visage de Toine s'illumina, et le gros homme répondit : – Pour sûr que je t'invite, mon gendre.

– Toni, aber du ladest mich ein, wenn das erste gefressen wird. Nichtwahr? Bei dem Gedanken an das Essen ging ein Leuchten über Tonis Gesicht, und der dicke Kerl sagte: – Nu, das versteht sich, Schwiegersohn! 

 


 Freund Patience

Er blickte mir, indem er ein Auge leicht schloß, ins Gesicht, mit einer Miene, wie man jemandem eine Liebesgeschichte anvertraut, machte eine großartige umfassende Bewegung, eine wahre Napoleonsbewegung, deutete auf seinen großen Salon, seinen Park und die drei Frauen, die im Hintergrunde wieder erschienen, und dann sagte er triumphierend, in einem Ton, aus dem der Stolz klang: – Und mit nichts habe ich angefangen . . . mit meiner Frau und meiner Schwägerin. 

 

 

Die Mitgift

Niemand wunderte sich über die Heirat des Advokaten Simon Lebrument mit Fräulein Johanna Cordier. Der Advokat hatte eben das Notariat seines Kollegen Papillon gekauft. Natürlich brauchte er Geld, um es zu bezahlen, und Fräulein Johanna Cordier besaß ein disponibles Vermögen von dreihunderttausend Franken in Banknoten und Papieren.

Der Advokat Lebrument war ein hübscher Kerl. Er hatte Chik, Advokatenchik, Provinzchik – aber doch Chik. Und das war immerhin in Boutigny-le-Rebours eine Seltenheit.


Nun mein liebes Cousinchen, da wird Dein Mann wohl gerade jetzt nach Belgien fahren.

 





Das Bett No. 29

Wenn Rittmeister Epivent auf der Straße ging, drehten sich alle Frauen um. Er war der Typus des schönen Husarenoffiziers. Er bummelte auch immer auf dem Strich, blähte sich wie ein Pfau, stolz, seine Schenkel zu zeigen, seine Taille, seinen Schnurrbart. Übrigens waren Schenkel, Taille und Schnurrbart ganz wundervoll. Der Bart war blond, stark, fiel martialisch schön gewellt über die Lippen wie reifes Korn, aber dabei war er fein, sorgfältig gedreht, und lief auf beiden Seiten des Mundes in zwei kecken Spitzen aus. Die Taille war schmal und eng, als trüge er ein Korsett, während der mächtige Brustkorb stark und gewölbt darüber hervortrat. Seine Schenkel waren wundervoll modelliert, das Bein eines Turners und Tänzers, dessen Muskeln sich bei jeder Bewegung unter dem anliegenden roten Beinkleid strafften.

 

 

Der Protektor

Er hätte nie geglaubt, daß er derartig sein Glück machen könnte. Johann Marin war der Sohn eines Provinzbeamten und war, wie so viele andere, nach Paris gekommen, um im Quartier latin Jura zu studieren . . . In den vielen Kneipen, die er der Reihe nach besucht hatte, war er mit einer Menge schwatzhafter Studenten bekannt geworden, die in Politik machten, während sie Bier tranken. Er bewunderte sie und folgte ihnen von Kneipe zu Kneipe, hielt sie sogar frei, wenn er Geld hatte.

Dann ward er Advokat und übernahm allerlei Prozesse, die er verlor. Aber da las er eines Morgens in der Zeitung, daß einer seiner alten Freunde aus dem Quartier latin Abgeordneter geworden sei.

Nun ward er wieder sein treuer Hund, der alle Mühseligkeiten und Unannehmlichkeiten übernahm, den man ruft, wenn man ihn braucht und dem gegenüber man sich nicht im mindesten Zwang anthut. Da geschah es, wie es das Parlament so mit sich bringt, daß der Abgeordnete Minister wurde. Ein halbes Jahr darauf ward Johann Marin zum Staatsrat ernannt.

 

Bombard

Simon Bombard war mit seinem Dasein nicht zufrieden. Begabt mit einer unbegrenzten Fähigkeit zum Nichtsthun und dem ungestillten Wunsch, diesem seinem Berufe nachzugehen, erschien ihm jede geistige oder körperliche Anstrengung, jede Bewegung, die er ausführen sollte, über seine Kräfte. Sobald er etwas von ernsten Dingen hörte, wurde er zerstreut, denn sein Geist war einer Anspannung, sogar der Aufmerksamkeit unfähig.

Er war der Sohn eines Krämers aus Caen und hatte sich es immer wohl sein lassen, bis er fünfundzwanzig Jahr alt geworden.

Aber seine Eltern waren immer näher am Bankerott als am Vermögen, und durch die Geldknappheit litt er fürchterlich.

»Frau Kate verwitwete Robertson giebt sich die Ehre, Ihnen ihre Verehelichung mit Herrn Simon Bombard anzuzeigen.«

 


Das Haar

Die Mauern der Zelle waren kahl und nackt, mit Kalk beworfen. Ein schmales vergittertes Fenster ganz hoch oben, so daß man es nicht erreichen konnte, beleuchtete den hellen, klaren und doch düsteren Raum. Und der Geisteskranke, der auf einem Stuhl mit Strohsitz saß, blickte uns mit stieren, geistlosen, von Wahnvorstellungen gequälten Blicken an. Er war sehr mager, hatte eingefallene Wangen und beinah weißes Haar, dem man es anzusehen glaubte, daß es in wenig Monaten gebleicht. Seine Kleidung schien zu weit zu sein für seine dürren Glieder, für die eingesunkene Brust, den eingefallenen Leib. Man fühlte, daß dieser Mann durch fixe Ideen, durch einen Gedanken zerfressen ward, wie eine Frucht durch einen Wurm. Da in dem Kopf saß der beharrlich verzehrende, quälende Gedanke, der allmählich den Körper auffraß. Dieser unfaßbare, unsichtbare, unfühlbare, körperlose Gedanke zerfraß sein Fleisch, sog sein Blut aus, brachte sein Leben zum erlöschen.

 

Der alte Mongilet

Im Bureau galt der alte Mongilet für ein Original. Er war ein alter Beamter, ein guter Kerl, der nur ein einziges Mal in seinem Leben aus Paris herausgekommen war.

***

Ich geleitete Boivin nach Haus. Aber als ich mich anschickte, ihn an der Eingangsschwelle zu verlassen, öffnete sich plötzlich die Thür, die Frau erschien mit einem Licht, daß mir der Schreck durch alle Glieder fuhr.

Sobald sie dann ihren Mann gesehen, den sie seit der Dämmerung schon erwartet, schrie sie und stürzte auf mich los:

– Sie elender Mensch! Ich wußte doch, daß Sie ihn besoffen nach Haus bringen würden.

Weiß der Teufel, ich riß aus, was ich nur konnte, lief an den Bahnhof, und da ich dachte, daß das wütende Weib mich verfolgte, schloß ich mich im Klosett ein, denn der nächste Zug ging erst eine halbe Stunde später.

So. Deswegen habe ich nie geheiratet, und deswegen gehe ich nie wieder aus Paris heraus.

Der Schrank

Man redete nach Tisch von Weibern. Was sollen Herren unter sich anders sprechen.

Einer von uns sagte:

– Hört mal, mir ist mal 'ne komische Geschichte passiert.

Und er erzählte:

Letzten Winter packte mich eines Abends eine jener Verzweiflungsstimmungen, wie sie ab und zu über Seele und Leib kommen. Ich saß ganz allein zu Haus und fühlte, daß, wenn ich dableiben würde, ich einen entsetzlichen Anfall von Schwermut kriegen müßte. Eine jener traurigen Stimmungen, die einen vielleicht zum Selbstmord bringen, wenn sie öfters wiederkehren.

Aber ich hatte gemerkt, woher dieses seltsame Geräusch kam, ging geradenwegs auf eine Thür zu am Kopfende des Bettes und öffnete sie mit einem Ruck. Und ich sah zitternd vor mir einen kleinen mageren Jungen, der mich mit erschrockenen, glänzenden Augen ansah und neben einem großen Rohrstuhl hockte, von dem er eben heruntergefallen war.


Zimmer No. 11

 Seit acht Jahren besaß sie in der Tat für das ganze Jahr gemietet ein möbliertes Zimmer in dem unbekannten Gasthof. Ihr erster Liebhaber war darauf gekommen, und sie fand die Idee sehr praktisch. Als er versetzt wurde, behielt sie das Nest für sich bei.

Mit einem Satz war sie aus dem Bett, zitternd von Kopf zu Fuß. Dann lief sie zum Kamin, nahm das Licht, kehrte damit zurück und blickte in das Bett. Und sie sah ein entsetzliches Gesicht, das sie nicht kannte, schwarz, aufgedunsen, geschlossene Augen und die Kinnlade entsetzlich verzerrt.

Sie stieß einen Schrei aus, einen jener langen, scharfen Schreie, wie Frauen in größter Verzweiflung, ließ das Licht fallen, öffnete die Thür und entfloh unbekleidet laut kreischend den Gang hinunter.

Ein Handlungsreisender kam aus dem Zimmer No. 4 in Strümpfen herausgestürzt und fing sie in den Armen auf. Er fragte erschrocken:

– Was ist denn, mein schönes Kind?

– Man . . . man hat jemand in meinem Zimmer ermordet.

 


 

Die Gefangenenen

Vor dem Försterhaus machte eine junge Frau, mit bloßen Armen, Holz klein, mit dem Beil auf einem Steinblock. Sie war groß, schlank, kräftig, ein Waldkind, Tochter und Frau eines Försters.

Eine Stimme klang aus dem Inneren des Hauses:

– Wir sind heute abend allein, Berthchen. Du mußt hereinkommen, es wird nacht. Vielleicht kommen die Preußen oder ein Wolf.

***

Droben ward die Thür aufgerissen und die Försterin erschien mit bloßen Füßen, im Hemd, einen Unterrock umgebunden, ein Licht in der Hand, ganz verstört, und rief:

– Herr Gott, die Franzosen sind da! Mindestens Zweihundert. Wenn sie euch hier finden, stecken sie das Haus an. Steigen Sie schnell in den Keller hinunter. Aber keinen Lärm machen. Wenn Sie Lärm machen, sind wir verloren.

Der Unteroffizier war erschrocken und flüsterte:

– Meinetwegen, gut. Wo geht's denn hinunter?

Das Mädchen öffnete vorsichtig die enge, viereckige Klappe, und die sechs Leute verschwanden auf der kleinen Wendeltreppe, indem sie einer nach dem andern rückwärts hinabstiegen, um die Stufen mit den Füßen zu tasten. Aber als die Spitze des letzten Helmes verschwunden war, warf Berthchen die schwere Eichenthür, dick wie eine Mauer und hart wie Eisen, zu, legte zwei Scharniere vor und das Schloß, drehte zwei Mal herum und begann dann zu lachen, stumm und glückselig. Es packte sie rasende Lust, den Gefangenen auf dem Kopfe herumzutanzen.


 


 

Rogers Mittel

Ich ging mit Roger auf dem Boulevard spazieren. Da schrie uns ein Straßenverkäufer an:

– Totsicheres Mittel, sich seiner Schwiegermutter zu entledigen. Totsicher!

Ich blieb kurz stehen und sagte zu meinem Freund:

– Hör mal, das erinnert mich an etwas, was ich Dich längst schon fragen wollte. Was bedeutet denn eigentlich »Rogers Mittel«, von dem Deine Frau immer spricht? Sie macht darüber so komische Scherze und ist so sicher, daß ich beinah glaube, es handelt sich um eine Kantharidenessenz, deren Geheimnis nur Dir bekannt ist. Jedesmal, wenn man in ihrer Gegenwart von einem müden, jungen Mann redet, sagt sie, indem sie lächelnd sich zu Dir wendet:

– Dem müßte mal Rogers Mittel beigebracht werden.




Das Geständnis

Ganz Veziers-le-Rethel hatte dem Leichenbegängnis des Herrn Badon-Leremincé beigewohnt, und die letzten Worte der Rede des Abgesandten der Präfektur waren noch in Erinnerung aller: »Nun lebt ein braver Mann weniger unter uns.«

Er war ein braver Mann in allem gewesen, was man von ihm gehört. In seinen Worten, in seinem Beispiel, in seiner ganzen Haltung, in allem, was er unternommen: im Schnitt des Bartes, in der Form der Hüte, die er trug. Er hatte nie ein Wort gesagt, das nicht mustergiltig gewesen wäre, nie ein Almosen gegeben ohne einen guten Rat dazu, nie die Hand gereicht, ohne daß es ausgesehen, als ob er einen Segen erteile.


Herr Poirel de la Voulte riß in seiner Eigenschaft als Notar, der an solche Dinge gewöhnt war, das Papier auf, setzte die Brille auf die Nase und las mit seiner klaren Stimme, die eigens gemacht schien, um Verträge vorzulesen:

– Meine Kinder, meine lieben Kinder! Ich könnte nicht ruhig schlafen, wenn ich euch nicht ein Geständnis machte von jenseits des Grabes. Das Eingeständnis eines Verbrechens, dessen Gewissensbisse mir das Leben verbittert haben. Ja, ich habe ein Verbrechen begangen, ein furchtbares, entsetzliches Verbrechen....

Ich fing ein Verhältnis an mit einem jungen Mädchen;----

Aber da sagte sie mir eines Tages, sie wäre guter Hoffnung.

 


Die Teufelin

Diese furchtbare Geschichte und dieses entsetzliche Weib fiel mir neulich ein, als ich an einem, von reichen Leuten bevorzugten Strand eine junge, elegante, reizende, angebetete und von allen Seiten hochgeachtete junge Pariserin traf.

Und in ihrem Leib schnürte sie durch die furchtbare Maschine das kleine Wesen zusammen, entstellte, preßte es und machte ein Ungetüm daraus. Sein Kopf ward zusammengedrückt, hob sich zu einer Spitze mit zwei großen herausstehenden Augen, die aus der Stirn quollen. Die zusammengebremsten Glieder wuchsen knorrig wie Weinreben, gingen in die Länge und Finger und Zehen erschienen daran gleich Spinnenbeinen.

Der Leib blieb ganz klein und rund gleich einer Nuß.

Eines Frühlingsmorgens kam sie auf freiem Felde nieder.

Als die Arbeiterinnen ihr zu Hilfe eilten und das Tier sahen, das sie geboren, entflohen sie kreischend. Und das Gerücht ging in der Gegend, sie hätte einen Dämon zur Welt gebracht. Seit dem Tage heißt sie ›die Teufelin‹.

 


Theodul Sabots Beichte

Sobald Sabot in Martinville in das Café trat, fing schon alles an zu lachen. Das war doch ein ulkiges Luder, der Kerl, der Sabot! Der hatte es auf die Pfaffen abgesehen, o je, o je! Der verschlang täglich einen mit Haut und Haaren.


 

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