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Dienstag, 10. März 2020

Hauffs Lichtenstein illustriert von Robert Engels

Robert Engels (* 9. März 1866 in Solingen; † 24. Mai 1926 in München) war ein deutscher Maler, Grafiker, Illustrator, Lithograf, Kunstgewerbler und Hochschullehrer.



Ein dumpfes Gemurmel gespannter Erwartung lief durch die Reihen und brach nur in ein kurzes Gelächter aus, wenn etwa die alten, strengen Stadtwächter eine hübsche Dirne, die sich zu vorlaut in den freigelassenen Raum gedrängt hatte, etwas unsanft mit dem Ende ihrer langen Hellebarde zurückdrängten, oder wenn ein Schalk sich den Spaß machte: "Sie kommen! Sie kommen!" rief, alles lange Hälse machte und schaute, bis es sich zeigte, daß man sich wieder getäuscht habe.

Ein mächtiges Roß bäumte sich in der Mitte der Straße unter ihrem Fenster, wahrscheinlich scheu gemacht durch die flatternden Fahnen der Zünfte. Sein hoch zurückgeworfener Kopf verdeckte den Reiter, so daß nur die wehenden Federn des Baretts sichtbar waren; aber die Gewandtheit und Kraft, mit welcher er das Pferd herunterriß und zum Stehen brachte, ließ einen jungen mutigen Reiter ahnen.

Diese drängten sich in verworrenen Gruppen um die Tafel her, die, in Form eines Hufeisens aufgestellt, beinahe die ganze Weite des Saales einnahm. Der Rat und die Patrizier, die heute im Namen der Stadt die Honneurs machen sollten, stachen in ihren zierlichen Festkleidern mit den steifen schneeweißen Halskrausen wunderlich ab gegen ihre bestaubten Gäste, die, in Lederwerk und Eisenblech gehüllt, oft gar unsanft an die seidenen Mäntelein und samtenen Gewänder streiften.

"Müßt Ihr dem jungen Laffen auch noch das Wort reden?" fuhr jener auf. "Was braucht es da? Er soll einen Spaß von seinem Obern ertragen lernen."
"Mit Verlaub", fiel ihm Breitenstein ins Wort, "das ist kein Spaß, sich über unverschuldete Armut lustig zu machen; ich weiß aber wohl, Ihr seid seinem Vater noch nie grün gewesen."

Die einzigen Hausgenossen des Ratsschreibers waren ein alter, grauer Diener, zwei große Katzen und die unförmig dicke Amme. Diese vier Geschöpfe starrten den Gast mit großen, bedenklichen Augen an, die ihm bewiesen, wie ungewohnt ihnen ein solcher Zuwachs der Haushaltung sei. Die Katzen umgingen ihn schnurrend, mit gekrümmten Rücken, die Amme schob unmnutig an der ungeheuren Buckelhaube von Golddraht und fragte, ob sie für zwei Personen das Abendessen zurichten solle? Als sie aber nicht nur ihre Frage bestätigen hörte, sondern auch den Auftrag (man war ungewiß, war es Bitte oder Befehl) bekam, das Eckzimmer im zweiten Stock für den Gast zuzurüsten, da schien ihre Geduld erschöpft; sie ließ einen wütenden Blick auf ihren jungen Gebieter schießen und verließ mit ihrem Schlüsselbund rasselnd das Gemach.

Sie stellte sich mit komischem Ernst vor ihn hin und fuhr fort: "Dietrich von Kraft, Schreiber eines wohledlen Rates, habt Ihr unter den Bündischen keinen jungen, überaus höflichen Herrn gesehen, mit langem, hellbraunem Haar, einem Gesicht, nicht so milchweiß wie das Eure, aber doch nicht minder hübsch, kleinem Bart, nicht so zierlich wie der Eure, aber dennoch schöner, hellblauer Schärpe mit Silber…"

Das leise Gespräch der Liebenden verstummte vor der rauhen Gewalt dieser Töne, aber ihr Auge hatte sich in diesem Schiffbruch ihrer Liebe um so mehr zu sagen, und sie bemerkten nicht einmal, wie ein Geflüster über sie im Saal erging, das sie als das schönste Paar pries.


Georg hatte sich zu Marie auf die Bank gesetzt. Sie lehnte sich an seine Brust und weinte heftig. Die süßesten Worte, die er ihr zuflüsterte, vermochten nicht, ihre Tränen zu stillen "Marie", sagte er, "Du warst ja sonst so stark, wie kannst Du nun gerade jetzt allen Glauben an ein besseres Geschick, alle Hoffnung aufgeben?"

Noch lebhafter war dies kriegerische Bild vor den Toren der Stadt; auf einem Anger an der Donau übte Sickingen seine Reiterei, auf einem großen Blachfeld gegen Söslingen hin pflegte Frondsberg sein Fußvolk zu tummeln.
 An einem schönen Morgen, etwa drei bis vier Tage, nachdem Marie von Lichtenstein mit ihrem Vater Ulm verlassen hatte, sah man eine ungeheure Menge Menschen aus allen Ständen auf jener Wiese versammelt, um diesen Übungen Frondsbergs zuzusehen.

Er hatte sich unter diesen trüben Gedanken langsam dem Tor der Stadt genähert, als er sich plötzlich am Arm ergriffen fühlte; er sah sich um, ein Mann, dem Anschein nach ein Bauer, stand vor ihm.
"Was willst Du?", fragte Georg etwas unwillig, in seinen Gedanken unterbrochen zu werden.
"Es kommt darauf an, ob Ihr auch der Rechte seid", antwortete der Mann "Sagt einmal, was gehört zu Licht und Sturm?"

 "Glaubt deshalb nicht minder an meine Ehrlichkeit", antwortete der Bauer, "man wird oft genötigt, von Jugend auf durch solche Künste sich fortzuhelfen; sie schaden keinem und tun doch dem gut, der sie kann."

 Um einen großen, schwerfälligen Tisch saßen acht ältliche Männer, die den Kriegsrat des Bundes bildeten. Einige davon kannte Georg. Jörg Truchseß, Freiherr von Waldburg, nahm als Oberster Feldleutnant den obersten Platz am Tisch ein, zu beiden Seiten von ihm saßen Frondsberg und Franz von Sickingen, von den übrigen kannte er keinen außer den alten Ludwig von Hutten; aber die Chronik hat uns ihre Namen treulich aufbewahrt; es saßen dort noch Christoph Graf zu Ortenberg, Alban von Closen; Christoph von Frauenberg und Diepolt von Stein, bejahrte, im Heer angesehene Männer.

Er wickelte sich tiefer in seinen Mantel, um auf der Straße bei diesem unangenehmen Gang nicht erkannt zu werden, und folgte dem ergrauten Führer und seinen Landsknechten.

 Er mochte wohl ein Stündchen geschlummert haben, als ihn das Wiehern seines Pferdes aufschreckte. Er sah sich um und gewahrte einen Mann, der, ihm den Rücken kehrend sich mit dem Tier beschäftigte. Sein erster Gedanke war, daß man seine Unachtsamkeit benützen und das Pferd entführen wolle. Er sprang auf, zog sein Schwert und war in drei Sprüngen dort.

 War dann das kleine Mahl verzehrt, hatte Georgs Pferd wieder Kräfte gesammelt, so begleitete das ganze Haus den Scheidenden bis an die Tür, und der junge Reiter konnte zu seiner Beschämung niemals die Gastfreundschaft der guten Leute belohnen.


"Aber wie heißt jene Burg, die hier zunächst aus der Tiefe emporsteigt?" fragte der junge Mann, "sieh nur, wie sich die Sonne an ihren hellen weißen Wänden spiegelt, wie ihre Zinnen in goldenen Duft zu tauchen scheinen, wie ihre Türme in rötlichem Licht erglänzen."
"Das ist Reussen, Herr! Auch eine starke Feste, die dem Bund zu schaffen machen wird."

  Einer packte die Zügel seines Rosses, doch in demselben Augenblick traf ihn Georgs Klinge auf die Stirn, daß er ohne Laut niedersank; doch die anderen, wütend gemacht durch den Fall ihres Genossen, drangen noch stärker auf ihn ein und riefen ihm zu, sich zu ergeben; aber Georg, obgleich er schon am Arm und Fuß aus mehreren Wunden blutete, antwortete nur durch Schwerthiebe.

 Bärbele stellte sich auf die Zehen und schaute ihrer Mutter über die Schulter durchs Fensterlein. Sie staunte, und ihr Herz pochte seit siebzehn Jahren zum ersten Mal recht ungestüm:

Georg nahm gerührt Abschied von der stattlichen, runden Frau, die ihm zu Ehren heute noch einmal in ihrem Sonntagsstaat prangte; er hatte in den geschnitzten Schrank einen Goldgulden gelegt, ein wichtiges Geschenk für die damalige Zeit, und eine bedeutende Summe für die Reisekasse Georgs von Sturmfeder.

Doch der mit dem ledernen Rücken ließ sich nicht einschüchtern; er stellte seine ungemein muskulöse Faust vor sich hin und sagte: "Den Landläufer könnt Ihr für Euch behalten, Herr Calmus, man weiß wohl, wer Ihr seid; und wenn Ihr nicht augenblicklich Euer Maul haltet, so will ich Euch Eure Rührlöffelarme vom Leib schlagen."
Der Hagere stand auf und bedauerte sich selbst, daß er in so gemeine Gesellschaft geraten sei; er zahlte seinen Wein und ging vornehmen Schrittes aus der Trinkstube.

"Gott bewahre mich, daß ich über jemand lästere! Da kennt Ihr mich schlecht, Herr Ritter! Das alles hat mir Frau Rosel gesagt, und noch mehr hat sie vermutet und mir ins Ohr geflüstert, was eine ehrliche Frau einem schönen jungen Herrn nicht wieder sagen kann. Und denkt Euch, wie recht schlecht das Fräulein ist, sie hat noch einen anderen Liebhaber gehabt, und dem ist sie also untreu geworden!"
"Noch einen?" fragte Georg aufmerksam, denn die Erzählung schien ihm mehr und mehr an Wahrscheinlichkeit zuzunehmen.

Als diese hell aufloderten, bemerkte Georg, daß sie vor einem großen Portal standen, das die Natur in die Felsenwand gebrochen hatte, und dies mochte wohl der Eingang zu der Wohnung sein, wo der Geächtete, wie sich der Pfeifer ausdrückte, beim Uhu zur Miete war. Der Mann von Hardt ergriff eine der Fackeln und bat den Jüngling, die andere zu tragen, denn ihr Weg sei dunkel und hie und da nicht ohne Gefahr. Nachdem er diese Warnung geflüstert, schritt er voran in das dunkle Tor.

"Junger Mann!" sagte der Geächtete mit Hoheit, die nur durch den gewinnenden Ausdruck der Freundlichkeit gemildert wurde. "Ihr habt einen Freund gefunden durch Euer tapfereres, ehrenvolles Wesen, durch Euren offenen, freien Blick, durch Eure warme Teilnahme an dem unglücklichen Herzog. Es sei Euch genug, diesen Freund gewonnen zu haben, fragt nicht weiter, ein Wort könnte vielleicht dieses trauliche Verhältnis zerstören, das mir so angenehm ist. Lebt wohl, denkt an den geächteten Mann ohne Namen, und seid versichert, ehe zwei Tage vorbeigehen, sollt Ihr von mir und meinem Namen hören." Es wollte Georg dünken, als stehe dieser Mann, trotz seines unscheinbaren Kleides, vor ihm wie ein Fürst, der seinen Diener huldreich entläßt, so groß war jene unbeschreibliche Hoheit, die ihm auf der Stirn thronte, so erhaben der Glanz, der aus seinem Auge drang.

"Ihr seid willkommen in Lichtenstein!" sagte der alte Herr, indem er seinem Gast die Hand bot und eine gütige Freundlichkeit den gewöhnlichen strengen Ernst seiner Züge milderte. "Was steht Ihr müßig da Ihr Schlingel!" wandte er sich nach dieser ersten Begrüßung zu seinen Dienern "Soll etwa der Junker sein Roß mit hinaufführen in die Stube? Schnell, hinein mit in den Stall; das Rüstzeug tragt auf die Kammer am Saal!—Verzeiht, werter Herr, daß man Euch solange unbedient stehen ließ, aber in diese Burschen ist kein Verstand zu bringen. Wollt Ihr mir folgen?"

"Hör einmal, du ungeheurer Geselle" wandte sich Georg in dem Hund, der ihn aufmerksam ansah, "sage mir, wie heißt dein Herr?"
Der Hund richtete sich stolz auf, riß den weiten Rachen auf und brüllte in schrecklichen Tönen "U-u-u!"
Marie errötete. "Laß doch die Possen", sagte sie und rief den Hund zu sich, "wer wird mit Hunden sprechen, wenn man in menschlicher Gesellschaft ist!"

Er schlich weiter an die Wendeltreppe. Noch einmal hielt er an, um zu lauschen, ob alles still sei. 

Auch Georg hatte erwartungsvoll hingesehen. Er musterte mit schnellem Blick die Eintretenden, in dem einen erkannte er sogleich den Pfeifer von Hardt, der andere war—jener Krämer, den er in der Herberge von Pfullingen gesehen hatte. Der letztere warf einen Pack, den er auf dem Rücken getragen ab, riß das Pflaster weg, womit er ein Auge bedeckt hatte, richtete sich aus seiner gebückten Stellung auf, und stand nun als ein untersetzter, stark gebauter Mann mit offenen kräftigen Zügen vor ihnen.

"Marx! Wie verfahren sie gegen das Landvolk?" fragte er.
"Wie Räuber", antwortete dieser, "sie verwüsten ohne Not die Weinberge, sie hauen die Obstbäume nieder und verbrennen sie am Nachtfeuer; Sickingens Reiter traben durch das Saatfeld und treten nieder, was die Pferde nicht fressen. Sie mißhandeln die Weiher und pressen den Männern das Geld ab. Schon jetzt murrt das Volk allerorten, und laßt erst den Sommer kommen und den Herbst! Wenn aus den zerstampften Fluren kein Korn aufgeht, wenn auf den verwüsteten Bergen keine Weinbeere wächst, wenn sie erst noch die ungeheure Kriegssteuer, die der Bundesrat umlegen wird, bezahlen müssen—da wird das Elend erst recht angehen."

...es waren dies die Landsknechte. Diese Menschen, aus allen Enden und Orten des Reiches zusammengelaufen, boten gewöhnlich dem ihre Hilfe an, der sie am besten zahlte; für was und gegen wen sie kämpften, war ihnen gleichgültig. Um sie zu halten, mußte man ihnen vieles nachsehen, und Raub, Mord, Plünderung, Brandschatzen führten sie auf ihre eigene Faust aus, um sich zu entschädigen, wenn sie den Sold nicht richtig bekamen. 

"Muckerle, Hauptmann vom achten Fähnlein! Ich rat Euch, haltet Euer
Maul", sagte der Oberst. "Bassa manelka, ich versteh keinen Spaß.
Die Mauz soll den Löwen nicht erzürnen."
"Und ich sag's noch einmal; wo hättest Du sonst den König her? Vor dem Papst und dem König von Frankreich will ich's beweisen; Du falscher Spieler!"
"Muckerle", erwiderte der Oberst und zog kaltblütig seinen Degen aus der Scheide, "bete noch ein Ave Maria und ein Gratias, denn ich schlage Dich tot, zo wie daz Spiel auz ist."

Dem Platz, wo die Hauptleute und der lange Peter, ihr Oberst, versammelt waren, nahte sich jetzt ein geharnischter Reiter, dessen Pferd von zwei Landsknechten geführt wurde. Der Ritter hatte das Visier seines blanken Helmes herabgeschlagen, die breiten Schultern und die kräftigen Lenden und Beine waren mit Platten und Schienen von Stahl verhüllt, aber die wallenden Federn seines Helmbusches und die wohlbekannten Farben einer Schärpe, die über den Panzer herablief, die Haltung und das edle, kräftige Wesen des Nahenden hatten dem Pfeifer von Hardt längst gesagt, wen er zu erwarten hatte. Und er täuschte sich nicht, denn einer der Knechte trat jetzt vor den Oberst und berichtete, daß der "Edle von Sturmfeder" mit den Anführern der gesamten Landsknechte etwas zu sprechen habe.

Aber ehe sie noch diesen Entschluß ausführten; trat ein kräftiger Mann hinauf, warf mit einem Schlag den Doktor rechts und den Ulmer mit dem rosenfarbenen Mäntelein links von der Bank, und winkte mit der Mütze in die Luft. "Still! Das ist der Hartmann", flüsterten die Bürger, "der versteht's, hört, was er spricht!"

Der junge Mann wandte sich verwundert um und schaute herab—auf den Kanzler Ambrosius Volland. War ihm dieser Mann schon gestern durch seine widrige Freundlichkeit, durch sein katerhaftes, schleichendes Wesen unangenehm aufgefallen, so war dies heute noch mehr der Fall, da der Kanzler durch überladenen Putz seine Mißgestalt noch mehr herausgehoben hatte.
Der Doktor Calmus hielt seinen Umzug durch die Stadt. Er saß verkehrt auf einem Esel; die Landsknechte hatten ihn wunderlich ausgeschmückt; sie hatten ihm eine Mütze von Leder aufgesetzt, an deren Spitze eine Hahnenfeder angebracht war. Vor ihm gingen zwei Trommler, zu seinen Seiten sah man in gravitätischen Schritten den Magdeburger und den Wiener, den ehemaligen Hauptmann Muckerle und seinen tapfern Obersten gehen, die hin und wieder mit den Enden ihrer Hellebarden den Esel zu kühnen Sprüngen antrieben. Ein ungeheurer Volkshaufen umschwärmte ihn und bewarf ihn mit Eiern und Erde.

Der Herzog antwortete nicht. Er riß mit einer hastigen Bewegung Feder und Pergament dem Kanzler aus der Hand, warf einen schnellen, durchdringenden Blick auf ihn und den Ritter, und ehe noch dieser es verhindern konnte, hatte Ulrich seinen Namen unterzeichnet. Der Ritter stand in stummer Bestürzung, er senkte bekümmert das Haupt auf die Brust herab. Der Kanzler blickte triumphierend auf den Ritter und den Herzog.

In Stuttgart aber glaubte man fest, der Herzog müsse in der fröhlichsten Stimmung sein, denn wenn er mit seinem glänzenden Gefolge durch die Straßen ritt, alle schönen Jungfrauen grüßte und mit den Herren zu seiner Seite scherzte und lachte, da sagten sie: "Herr Ulrich ist wieder so lustig wie vor dem armen Konrad." 

So ging der Zug aus dem Tor des Schlosses nach der Kirche, die nur durch einen breiten Platz von ihm getrennt war. Kopf an Kopf standen die schönen Mädchen und die redseligen Frauen, sie musterten die Anzüge der Fräulein, strengten Blicke an, als die schöne Braut vorbeiging, und waren voll Lobes für den Bräutigam.

"Mögen Euch diese Becher, wenn sie bei den Hochzeiten Eurer Kinder, bei den Taufen Eurer Enkel kreisen, mögen sie Euch an einen Mann erinnern, dem Ihr beide im Unglück Liebe und Treue bewiesen, an einen Fürsten, der im Glück Euch immer gewogen und zugetan ist."

Der Mundschenk goß die Becher voll und kredenzte sie seinem Herzog und Georg von Sturmfeder, Ulrich sah ihn lange und nicht ohne Rührung an; er drückte seine Hand und sagte: "Du hast Probe gehalten. Als ich verlassen und elend unter der Erde lag, hast Du Dich zu mir bekannt; als jene Vierzig meine Burg übergaben und kein Stückchen Württemberg mehr mein war, bist Du mir aus dem Land gefolgt, hast mich oft getröstet und auch auf diesen Tag verwiesen Bleibe mein Freund, wer weiß, was die nächsten Tage bringen. Jetzt kann ich wieder Hunderten gebieten und sie schreien 'Hoch!' auf das Wohl meines Hauses, und doch war mir Dein Trinkspruch mehr wert, den Du in der Höhle ausbrachtest und den das Echo beantwortete. Ich erwidere ihn jetzt und gebe ihn Dir: Sei glücklich mit Deinem Weib, möge Dein Geschlecht auf ewige Zeiten grünen und blühen; möge es Württemberg nie an Männern fehlen, so mutig im Glück, so treu im Unglück wie Du!"

So war auch der Zug in jener Nacht, ernst und von keinem Laut der Freude unterbrochen. Georg ritt neben dem alten Herrn von Lichtenstein und warf hie und da ängstliche Blicke auf diesen, denn er hing wie von Kummer gebückt im Sattel und schien ernster als je zu sein. Er hätte beinahe ohne Leben geschienen, wenn nicht hin und wieder ein Seufzer aus seiner Brust heraufgestiegen wäre und seine glänzenden Augen nach den Wölkchen geschaut hätten, die um die bleiche Sichel des Mondes zogen.
"Glaubt Ihr, es wird morgen zum Gefecht kommen, Vater?" flüsterte Georg nach einer Weile.
"Zum Gefecht? Zur Schlacht!"

Neben dem Herzog hielt eine sonderbare Figur, beinahe wie eine Schildkröte, die zu Pferd sitzt, anzusehen. Ein Helm mit großen Federn saß auf einem kleinen Körper, der auf dem Rücken mit einem gewölbten Panzer versehen war; der kleine Reiter hatte die Knie weit heraufgezogen und hielt sich am Sattelknopf fest. Das herabgeschlagene Visier hinderte Georg, zu erkennen, wer dieser lächerliche Kämpfer sei; er ritt daher näher an den Herzog heran, und sagte:
"Wahrhaftig, Euer Durchlaucht haben sich da einen überaus mächtigen Kämpen zum Begleiter ausersehen. Seht nur die dürren Beine, die zitternden Arme, den mächtigen Helm zwischen den kleinen Schultern— wer ist denn dieser Riese?"

Neben ihm saß Hans, der Pfeifer von Hardt; er sah unverwandt ins Feuer, und seine Gedanken schienen sich in einem Liedchen zu sammeln, dessen melancholische Weise er mit leiser, unterdrückter Stimme vor sich hin sang. Wenn das Feuer heller aufflackerte, schaute er mit einem trüben Blick nach dem Herzog, und wenn er sah, daß jener noch immer schlafe, versank er wieder in den flüsternden, traurigen Gesang.
Wir packten allesamt den im grünen Mantel, wie uns der Kahlmäuser geheißen, der andere aber stürzte sich mit seinem Roß über die Brücke hinab in den Neckar und schwamm davon. Wir aber ließen ihn ziehen weil wir den Grünen hatten, und brachten diesen hierher."


Noch oft, wenn sie am Fenster des Schlosses standen und hinabschauten auf Württembergs schöne Fluren, gedachten sie des unglücklichen Fürsten, der einst hier mit ihnen auf sein Land hinabgeblickt hatte, und dann dachten sie nach über die Verkettung seiner Schicksale und wie durch eine sonderbare Fügung auch ihr eigenes Geschick mit dem seinigen verbunden war; und wenn sie sich auch gestanden, daß ihr Glück vielleicht nicht so früh, nicht so schön aufgeblüht wäre ohne diese Verknüpfung, so wurde doch ihre Freude durch den Gedanken getrübt, daß der Stifter ihres Glückes noch immer fern von seinem Land im Elend der Verbannung lebe. Erst viele Jahre nachher gelang es dem Herzog, Württemberg wiederzuerobern.


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