Karl Rudolf Gustav Mühlmeister (1876–1942/1945) war ein deutscher Maler und Illustrator.
Frontispiz
Das Paläoskop
Münkhuysen zog ein achteckiges Rohr aus der Tasche, ziemlich kurz und
dick, und schraubte es auf ein in den Erdboden eingelassenes Gestell
fest. Nun begann er durch dieses ganz unbekannte Instrument nach den
Sternen zu sehen. Mittels einer kleinen Kurbel stellte er sein Fernrohr
ein, das er Paläoskop nannte, weil es, wie er sagte, gestatte, Blicke in
uralte, vergangene Zeiten zu tun. Nach wenigen Minuten sagte er: »Jetzt
habe ich ihn!« und ersuchte Ernst, durch das Okular zu schauen.
Mann über Bord!
Alle Rufe und Schreie des Entsetzens und der Warnung kamen jetzt zu
spät: schon kämpfte der Held mit den schaumgekrönten Wellen, die ihn
jeden Augenblick zu verschlingen drohten. Es schien, als werde er
hilflos auf und ab geschleudert, oft verschwand er unter Wasser, doch
tauchte er allemal wieder prustend auf und warf sich mit übermenschlich
erscheinender Kraft gegen die auf ihn einstürmenden Fluten. Mit Staunen
sahen alle, was für ein vorzüglicher, gewandter und kräftiger Schwimmer
er war: keiner der anderen hätte sich in diese Strudel gewagt, nicht
einmal die italienischen Matrosen, die doch vorzüglich schwammen.
Das Südkreuz
Die Dampfmaschine war inzwischen eingetroffen und wurde dem Schiffe
einverleibt. Mittels mächtiger Winden wurde dann das »Südkreuz« auf ein
Gestell mit walzenförmigen Rädern gehoben,
das
reinste Trockendock, und fest mit demselben verbunden. Dann bestiegen
unsere Freunde sämtlich mittels einer Strickleiter das Verdeck;
Münkhuysen ließ die Kessel heizen und die Maschine in Bewegung setzen,
und – siehe da! majestätisch rollte das »Südkreuz« auf seinen zwanzig
Rädern durch den Urwald, wie wenn es für Landfahrten gebaut worden wäre.
An der Eisküste
Das »Südkreuz« fuhr nach Osten, die Bankise oder Eisterrasse entlang,
die in wechselnder Höhe von fünfzehn bis sechzig Metern und darüber den
Südpolarkontinent umgürtet, als letzter Ausläufer der Inlandgletscher.
Vorbei an Kap Bird, der äußersten Spitze der vom Erebus ausgehenden
Hügelkette, strebte man König-Eduard-des-Siebenten-Land zu.
Das Verderben vor Augen
Nun sollte sich bald die vorhin angedeutete Unvorsichtigkeit rächen: unsere Freunde hatten nämlich, was kaum zu glauben
war,
vergessen, das Seil auf der Nordseite, der Seite des Aufstiegs, fest zu
verankern: es hing da lose hinab. Wie gesagt, hatte es sich auf dem
Sattel zwischen zwei Felsen eingeklemmt und einer seiner Knoten hielt es
dort an der engsten Stelle fest. Diese Verengung wurde jedoch bloß
durch eine dünne vorspringende Felszacke gebildet, die bald
absplitterte, als das volle Gewicht der vier Männer aus der Südseite des
Seiles hing, ohne irgend ein Gegengewicht auf der Nordseite.
Das Seil gab nach. Die daran Hängenden kamen ins Gleiten. Das Seil
rutschte über den Bergsattel, erst langsam, dann immer schneller, je
weniger davon auf der anderen Seite als schwaches Gegengewicht
herabhing. Münchhausens Last war natürlich bei dem Unfall das
Ausschlaggebende.
Antarktische Jagden
»Ach was!« widersprach Münchhausen: »Ein hochbeiniges Walroß ist das:
ich kenne es gut von meiner ersten Südpolarfahrt her. Da es jedoch
nicht in der See haust, sondern auf dem Landeis, und sein Haupt etwas
ungemein Löwenähnliches aufweist, nannten wir es Eislöwe, wonach man
sich zu richten hat!«
Obgleich die anderen nie recht an die sagenhafte Südpolexpedition des
Spaßvogels glaubten, so nahmen sie doch den Namen an, denn der Kopf des
Tieres sah wirklich dem eines Löwen in vergrößertem Maßstabe auffallend
ähnlich, abgesehen von den
walroßartigen Hauern. Im übrigen war es freilich ein Dickhäuter, der auf
massigen Beinen einhertrabte, und auch sein dichter Pelz unterschied es
wesentlich vom König der Tiere, doch das war ja für die Benennung
belanglos, da man ja sogar eine Robbe »Seelöwe« heißt.
Die Seeschlange
Plötzlich stieß Doktor Maibold einen gellenden Schrei aus: »Sehen sie
dort, dort!« rief er schreckensbleich und deutete nach rechts ins Meer
hinaus. Alle wandten sich dorthin und da wurde ihnen ein Anblick, der
ihre Nerven aufs äußerste erschütterte: über den Meeresspiegel erhob
sich ein Kopf, gleich dem eines Krokodils, nur geschmeidiger und von nie
gesehener Größe, umwallt von einer weißen Mähne, so daß er sich auch
mit einem riesigen Pferdehaupt vergleichen ließ. Aus dem aufgesperrten,
wohl zwei Meter langen Rachen starrten drei Reihen scharfer Zähne; die
grünschillernden, widerlichen Augen drängten sich gleich Kürbissen
hervor. Und dieses unförmliche Haupt erhob sich höher und immer höher
über dem Wasserspiegel und wiegte sich an einem Schlangenleib, der einem
Urwaldbaum an Dicke glich und sich nach allen Seiten hin bog, neigte
und wand in blitzschnellen Bewegungen.
Ein schwerer Unfall
Als sie sich der Vulkankette näherten, schoß plötzlich aus einer
Felskluft ein grauenhaftes Ungetüm hervor. Es ließ sich in seiner
furchtbaren Größe kaum übersehen. Der Hals mit dem verhältnismäßig
kleinen Kopf glich einer Riesenschlange in vergrößertem Maßstabe, der
Schwanz einem Krokodil, und dazwischen erhob sich haushoch der plumpe
Leib auf vier massigen Beinen. Die ganze Länge dieses Ungeheuers betrug
mindestens fünfunddreißig Meter.
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