Über den Strom.
Nachlässig plaudernd und bereits bedrückt von der Sonnenglut, schritten die beiden Gefährten an der mit wildem Gerank dicht bezogenen Pfahleinfriedigung des Gartens hin. Das Schindeldach der Fährhütte im Auge, achteten sie weniger auf ihre Umgebung, als es plötzlich auf der anderen Seite des Zauns in dem üppig wuchernden Unkraut sich regte, ein Schatten daraus auftauchte und über die Einfriedigung hinweg, auf die zwei breite Tatzen sich stützten, der Kopf eines Bären sie anschnaubte und demnächst, gleichsam prüfend, mit der beweglichen Nase windete.
Durch den unvermuteten Anblick erschreckt, waren die beiden Männer zur Seite geprallt und betrachteten nunmehr mißtrauisch das grimmig dareinschauende Tier. Bevor sie aber in der ersten Überraschung ein Wort zu wechseln vermochten, tönte eine helle, melodische Stimme zu ihnen heraus.
»Tommy! Hierher!« hieß es. Dann, nachdem der Bär Folge geleistet hatte, zu den Männern: »Fürchten Sie sich nicht! Er ist sanftmütig wie eine Taube.«»Er tut Ihnen nichts,« sagte sie lachend, sobald sie gewahrte, daß Milford das Tier mißtrauisch betrachtete. »Freilich gegen jedermann ist er nicht gerade höflich. Es ist, als ob der Instinkt ihn lehre, wem er trauen darf, und danach richte ich oft selber mein Verhalten ein.«
Sie setzte sich vor die beiden Männer hin, und des Bären Haupt auf ihren Schoß ziehend, öffnete sie dessen Rachen weit.
Drei andere Gestalten waren unterdessen nach der Hütte hinüber gekrochen, sich nicht eher aufrichtend, als bis die Schwelle der offenen Türe hinter ihnen lag. Das durch die Fenster hereindringende Mondlicht begünstigte sie in ihren Bewegungen. Kein Laut wurde zwischen ihnen gewechselt, aber zuversichtlich schritten sie in Charons Wohnzimmer, wo sie mit ihren an die unbestimmte Beleuchtung gewöhnten Augen zunächst die Umgebung aufmerksam zu prüfen begannen. Nur selten berührten sie diesen oder jenen Gegenstand, noch weniger verrieten sie Neigung, sich irgend etwas anzueignen.
Das Ballspiel.
...Entwirren die Knäuel sich jetzt, so könnte man glauben, eine Herde Höllengeister vor sich zu sehen, derartig sind die nicht kunstlosen Malereien auf ihren Körpern verwischt. Der eine und der andere wird wohl auch seinen stolzen Schweif vermissen, und die Beulen und Schrammen, die im ganzen davongetragen wurden, genügten sicher, einen Büffel ums Leben zu bringen. Doch das gehört mit zum Spiel, und nie erfuhr ich, daß von dieser Stelle aus feindliche Gesinnungen mit fortgenommen wurden.«
Auf einer ihm geeignet erscheinenden Stelle bog er wie ein argloser Müßiggänger in das Gebüsch ein, wo er bald sich abermals mit dem Namen Thomas angeredet hörte. Er kehrte sich dem Ruf zu, und vor ihn hin trat ein schwarzbrauner Indianer, der, um sie gegen das zerrende Gestrüpp zu schützen, die blaue Kalikodecke zusammengerollt unter den Arm genommen hatte.
Bei den Komanches.
Am Fuße des Baumstammes saß ein hochbetagter Krieger und entlockte einer seltsam verzierten Pfeife süßlich duftende Rauchwölkchen.
Auf Wiedersehen!
Nur wenige Worte wurden noch in dem traulichen Heim gewechselt, und als
man die Hände ineinander legte, da walteten Empfindungen wie bei Leuten,
die seit Jahren an demselben Herd vereinigt gewesen. Schwermütig
schaute Charon darein, als sie von einem möglichen Wiedersehen sprachen.
In Mollys Augen schimmerte es feucht, während Milford ihre Hand hielt.
Sie beständig im Auge, hatte der Bär sich oben auf dem Stamm lang
ausgestreckt. Sie setzte sich neben ihn, und seinen Kopf auf ihren Schoß
ziehend, Arme und Haupt auf ihm rastend, gab sie rücksichtslos den in
ihr wogenden Empfindungen nach. Ihre Tränen versiegten; um so lebhafter
arbeitete dafür ihr frischer junger Geist. Erschien sie sich doch so
vereinsamt und verlassen, daß sogar die ihrer harrenden
Tagesbeschäftigungen alle Reize für sie verloren. Nach den Zeiten des
frohen Verkehrs mit Milford glaubte sie, daß die Zukunft plötzlich eine
düstere Färbung angenommen habe, die Tage sich öde und endlos vor ihr
ausdehnten.
Nach Fort Smith.
»Also doch richtig gehört,« bemerkte Adams; »ich vernahm, Sie wollten nach Fort Smith, um Einkäufe zu besorgen. Es hat den Anschein, als möchten Sie zur Nacht aufbrechen.«
»Heute nicht mehr,« antwortete Charon, ohne sich in seiner Beschäftigung stören zu lassen, »ich treffe nur meine Vorbereitungen, um morgen nicht damit aufgehalten zu werden.«
»So machen Sie früh los?« forschte Adams weiter.
»Die kühlen Morgenstunden will ich zur Fahrt benutzen,« hieß es eintönig zurück.
Auf der Jagd nach dem Zaubermädchen.
Unerwartetes Zusammentreffen.
Die Heimkehr.
Von einem der untersten Äste des Baumes hing an einem Lasso eine menschliche Gestalt so tief nieder, daß kaum eine Elle Zwischenraum zwischen den Füßen und dem Erdboden blieb. Die Hände waren ihr auf dem Rücken zusammengeschnürt; das gräßlich entstellte Antlitz kehrte sie der Landstraße zu. Anfänglich beherrscht von verwirrendem Schrecken, sah Charon nur einen vierschrötigen Körper. Erst allmählich erkannte er an Haar, Bart und Bekleidung seinen unermüdlichen Peiniger. Die Wirkung davon war eine niederschmetternde. Er konnte nicht gleich fassen, daß jemand, mit dem er vor Stunden noch, wenn auch widerwillig verkehrte, so jäh von einem rächenden Geschick ereilt worden. Da tauchte der Gedanke in ihm auf, daß vielleicht noch Leben in dem Elenden wohne, es noch nicht zu spät zur Rettung wäre. Hastig stieg er vom Wagen, doch näher tretend überzeugte er sich leicht, daß der Tod längst sein Opfer gefordert habe. Sein Blick fiel auf ein Stück Papier, offenbar ein Blatt, das einem Notizbuch entnommen und auf der Brust des Gehenkten augenfällig festgesteckt worden war.
»Ein Mörder, Einbrecher und Räuber erlitt hier nach eingehender Klarlegung seiner Missetaten die verdiente Strafe. Richter Lynch,« lauteten die mittelst Bleistifts auf den Zettel geschriebenen Worte.
Die Gipshöhle.
Die Stromfahrt.
Molly, davon ausgehend, daß eine briefliche Botschaft nur von Charon herrühren könne, nahm das Papier und unhörbar wurde die Hand durch den langen Einschnitt zurückgezogen.Er kehrte sich um, und vor ihm stand der junge Delaware. Flüsternd redete er den vermeintlichen Stammesgenossen an. Fast gleichzeitig aber traf ihn der Schlag eines mit Blitzesschnelle geführten Beils und streckte ihn jählings zu Boden. –
Zwei Arme, ein Gewehr haltend, waren dort sichtbar geworden. Hoch emporgeworfen, sanken sie alsbald wieder zurück, während die Waffe, anscheinend mit letzter Kraft geschleudert, im Bogen über den Abhang hinausflog.
Der Bär erhob sich und beschnupperte argwöhnisch die ihm entgegengestreckte Hand. Plötzlich aber richtete er sich laut winselnd auf die Hintertatzen auf, und unter Tränen lachend, hatte Molly ihre liebe Not, die unsanften Liebkosungen des täppischen Gesellen von sich abzuwehren.
Scheiden.
»Muß es denn sein?« fragte Molly erschüttert ... Dann, wie auf der Flucht vor sie verfolgenden Phantomen, breitete sie die Arme aus, und seinen Nacken umschlingend, barg sie, aufs neue in Tränen ausbrechend, ihr Antlitz auf seiner Schulter.Kündigung einer alten Freundschaft.
Im Arbeitszimmer des Barons.
Als Unica mit dem Briefpaket zu dem Baron in den Gartensalon gewiesen wurde, hatte dieser sich in eine Zeitung vertieft. Bei ihm befand sich die Baronin, ebenfalls in einer mit Modekupfern durchschossenen»Mensch, du bist verrückt!« brach sein Entsetzen sich endlich Bahn, »wäre sie meines Bruders Tochter, so würde das Geheimnis nimmermehr bis auf den heutigen Tag bewahrt geblieben sein. Und dann das Geld – als er verhaftet wurde, ließ er Frau und Tochter im tiefsten Elend zurück. Wer sagt, wo die ihr Ende genommen haben! Aber was bringt dich auf die verrückte Idee? Ohne irgend eine Anregung kannst du doch nicht darauf verfallen sein.«
Als er bei seiner Frau eintraf, war diese in ein ernstes Gespräch mit Joachim vertieft. Bei seinem Anblick erschraken beide, denn auf seinem Gesicht wirkten noch immer die durch den verhängnisvollen Brief ins Leben gerufenen Regungen. Auf die Frage seiner Frau antwortete er, daß ihm sehr unangenehme Nachrichten zugegangen seien und er schon folgenden Tages eine längere Reise anzutreten habe.
Eine Beweisführung.
Der Baron zog den Brief hervor und überreichte ihn schweigend dem Doktor. Dieser las ihn sehr bedächtig, und nachdem er geendigt, gab er ihn mit einem beinah mutwilligen Lächeln zurück.
»Das elende Schriftstück hat augenscheinlich einen ganz raffinierten Schurken zum Verfasser,« bemerkte er dabei, »und ich erstaune, daß Sie es nicht sofort den Flammen übergeben haben. Aber immerhin, bei Ihrer offenbar leicht erregbaren Phantasie ist der Anblick eines Gegenstandes, der, wenn auch unberechtigt, in peinlicher Spannung erhält, geradezu gefährlich. Es sollte mich nicht wundern, wären Sie unter dem ersten Eindruck auf den lächerlichen Erpressungsversuch eingegangen.«
In der Absicht, es auf seinen Platz zurückzustellen, kehrte Schierling das Skelett um, infolgedessen die leeren Augenhöhlen in der Entfernung weniger Handbreiten ausdruckslos in das Antlitz des Barons stierten und die beiden nackten Zahnreihen ihn häßlich angrinsten.
Der Baron taumelte zurück. Leichenfarbe breitete sich über seine Züge aus. Nach seinem Stuhl hinüberschwankend, ließ er sich schwerfällig nieder, und wiederum sprach er wie im Traume: »Das ist entsetzlich. Wäre es mir doch erspart geblieben,« und so überwältigend war der Eindruck, daß er nicht einmal zu fragen wagte, wie das Skelett dorthin gekommen.
Jockeiklamm.
Beim Anblick des leicht erkennbaren Jockeiklamm, der während des Einherschreitens mit seinem Stöckchen bald tändelnd eine in Federsaat geschossene Butterblume köpfte, bald nach einem Käfer oder einer Bremse schlug, blieb er stehen. Einige Sekunden betrachtete er den sich Nähernden scharf; dann breitete tiefe Blässe sich über sein krankhaft gewelktes Antlitz aus. Dabei schienen seine Augen sich zu verglasen, und wie um einer Anwandlung von Schwäche zu begegnen, stellte er das Gewehr vor sich auf die Erde, es als Stütze benutzend.
Am Weiher. Der Würfel ist gefallen.
Er umarmte den alten Gefährten. Als er sich von ihm losreißen wollte, hielt dieser ihn.
»Noch ein Wort, Joachim,« sprach er, »und das mag das letzte zwischen
uns gewechselte sein. Versprich mir, was auch immer an dich herantreten
mag, dich als einen Mann zu erweisen, nicht unter dem Druck widriger
Verhältnisse den Mut zu verlieren und als Schwächling zu einer
Unbesonnenheit dich hinreißen zu lassen.«
Auf Leben und Tod.
Darauf trat Jockeiklamm in die Tür, und mit einem gewissen Siegesbewußtsein floß es von den beweglichen Lippen: »Es ist nicht schön, einem Mitmenschen nachzuschleichen und ihn zu belauschen, mein lieber Wiedehopf; allein was soll man machen, wenn sich jemand mit unverkennbarer Absichtlichkeit einer Zusammenkunft entzieht? Und ich mußte Sie notwendigerweise sprechen. Das Ausbleiben des Junkers und die plötzliche Abreise des Vaters lassen nämlich nur die einzige Deutung zu, daß der Junker seine Schulden durch Flucht zu bezahlen gedenkt, und Sie müssen darum gewußt haben.«
und bevor Wiedehopf in seiner Sorge um das Gleichgewicht des Bootes es zu hindern vermochte, hatte Jockeiklamm ihn mit beiden Armen umschlungen, sogar in den grauen Leinwandkittel sich festgebissen. Ein kurzer Kampf folgte, ein stummes, erbittertes Ringen auf Leben und Tod. Das vielfache Übergewicht der Kräfte war auf Seite Wiedehopfs.
Die letzten Grüße.
Wie auf der Flucht vor sie verfolgenden Schreckbildern stürzte sie zu der Baronin hinüber, und vor ihr auf die Knie sinkend, barg sie ihr Antlitz laut weinend auf deren Schoß.
Die Baronin erschrak; dann wechselten die beiden Gatten einen Blick des Befremdens über sie hin. Ein langer Blick war es. Ein Blick böser Verständigung, einer unaussprechlichen Entrüstung.Der Doktor auf Reisen.
In der Baronin Augen waren Tränen gedrungen, emporgesendet aus einem geängstigten Mutterherzen. Der Baron aber hatte Unica an sich gezogen und küßte sie auf die Stirn.
Ein unerwarteter Gast.
Über den Winter hinaus.
Wie von einer Feder geschnellt, sprang Molly empor. Kein Laut verließ ihre Lippen, aber auf den Hohlweg flog sie zu und in diesen hinab, als wäre sie von Schwingen getragen worden.
Schluß.
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