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Mittwoch, 15. Mai 2019

Gérard de Nerval: Aurelia mit Zeichnungen von Alfred Kubin, 1. Teil

Im Januar 1855 findet man den ausgehungerten und obdachlosen Dichter Gérard de Nerval erhängt an einem Pariser Laternenpfahl, das Manuskript der Aurelia in seiner Tasche, - ein rätselhaftes Buch, voller bizarrer Bilder.
1910 wird Alfred Kubin auf den dahin in Deutschland unbekannten Nerval aufmerksam. Er erkennt in ihm den wesensverwandten Künstler. Aurelia wird von Kubins Frau Hedwig ins Deutsche übertragen, und der "Meister des Dämonischen" - auf verblüffende Weise vertraut mit den Abgründen der Nervalschen Geisteswelt - setzt diesen traumhaft visionären Text in Bilder um.




Eine Damr, die ich lange geliebt hatte, und die ich Aurelia nennen werde, war für mich verloren.

Eines Tages kam in die Stadt eine Frau von grossem Ruf, die mit mir Freundschaft schloss, und da sie gewohnt war zu gefallen und zu blenden, zog sie mich mühelos in den Kreis ihrer Bewunderer.


Ein Wesen von unermesslichen Grösse - ob Mann oder Frau weiss ich nicht - hielt sich mühsam über dem Raum in der Schwebe und schien sich zwischen dem dichten Gewölk zu überschlagen.


Dann blieb ich mit ausgebreiteten Armen stehen und erwartete den Augenblick, wo die magnetisch in den Strahl des Sterns gezogene Seele sich vom Körper trennen würde.

Ich lag auf einem Feldbett und hörte, wie die Soldaten sich um mich herum von einem Unbekannten unterhielten, den man wie mich aufgegriffen hatte, und dessen Stimme in dem gleichen Saal widerhallte.



Ich trat in ein freundliches Haus...

Er trug ein altertümliches Gewand, dessen Farben verblichen schienen, und sein lächelndes Antlitz unter den gepudertennHaaren hatte einige Ähnlichkeit mit dem meinen. Er schien mir ausgesprochener lebendig zu sein als die anderen und sozusagen in freiwilligerem Rapport mit meinem Geist. - Es war mein Onkel.

...und wie wenn sich die Mauern  des Saales auf unendliche Perspektiven geöffnet hätten, schien es mir als sähe ich eine ununterbrochene Kette von Männern und frauen, in denen ich enthalten war und die ich selbst waren.


Zwischen dem Volk dieser Hauptstadt unterschied ich gewisse Menschen, die einer besonderen Nation anzugehören schienen; ihre lebhaften, entschlossenen Mienen, der energische Ausdruck ihrer Züge veranlassten mich an die unabhängigen und kriegerischen Gebirgs- oder Inselvölker zu denken...  
Ich bemerkte, dass sie von hügeligen Rücken durchzogen und von einem ganz mit Wohnstätten bedeckten Berg beherrscht war.


...und verstreute Setzlinge von Klematis, Hopfen, Geissblatt, Jasmin, Efeu und Osterluzei verbreiteten zwischen den kräftig gewachsenen Bäumen ihre langen lianenartigen Schlingen.


Eine Gestalt herrschte immer vor. die Aurelias, die mit Zügen einer Göttlichkeit gemalt war, so wie sie mir im Traum erschienen war.


...die ungeheure Masse ihrer Körper zerbrach die Zweige und zerstörte das Gras...



 Drei der Elohim hatten sich auf den höchsten Gipfel der afrikanischen Berge geflüchtet.

Am Fusse der vom Tod getroffenen, unfruchtbaren Bäume, an den versiegten Quellen, sah man auf dem verbrannten Gras Kinder und junge entnervte und farblose Frauen dahinsiechen.


Unter ihnen wurde ein Kampf ausgefochten.




Aber wer war wohl dieser Geist, der ICH war und der auch AUSSER MIR war?


In der Mitte befand sich ein Ruhebett in der Form eines Throns.

...dass eine leidende Frau in der Umgebung meiner Wohnung geschrieen habe.

...und doch war es für mich die Stimme und der Tonfall Aurelias...

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