.

Samstag, 12. Januar 2019

Die Ballade von Augustus und den Lokomotiven von Reiner Zimnik

Reiner Zimnik (* 13. Dezember 1930 in Beuthen/Oberschlesien als Reinhard Karl Zimnik) ist ein deutscher Zeichner, Maler und Schriftsteller.
Reiner Zimnik ist bekannt geworden als Verfasser von Erzählungen für Kinder und Erwachsene, in denen moderne Thematik, romantisch-märchenhafter Stil und die Federzeichnungen des Autors eine unverwechselbare Verbindung eingehen. Vor allem die Geschichten um Jonas den Angler, den einzelgängerischen „Lektro“ und die Figur des „Sebastian Gsangl“ wurden ab Mitte der 1950er Jahre – in der Frühzeit des deutschen Fernsehens – dank der Ausstrahlung als Fernseherzählungen oder Zeichengeschichten ein großer Erfolg.(Wikipedia)



Erschienen 1967


Augustus hiess eigentlich August Schappke, stammte aus Przewolje und hatte in seinem ganzen Leben nie etwas vom Kaiser Augustus gehört. Aber solange er sich erinnern konnte, hatten ihn die Leute niemals anders genannt als den starken Augustus.

...und - "Hä-Rupp, - Bittessährr!" - riss er die eiserne Kette mit einem einzigen Ruck auseinander.

...und schritt langsam aus der Manege, so gerade und aufrecht, als sei alles für ihn nur ein Kinderspiel gewesen.

Deshalb litten alle, denen Augustus die Hand drückte, grosse Schmerzen, und viele, denen er frühlich auf die  Schulter klopfte einen Bruch und mussten sich ins Bett legen.

Und so kam es, dass Augustus keine Freunde hatte....und hinter dem rot und weiss gestreiften Lattenzaun war für ihn die Welt zu Ende.


...überall im Lande fahren sie durch die Nacht, da - ein Schnellzug,  - undjetzt fährt er durch einen Tunnel, - ein Güterzug: Tschomtschomtschom...höchstens vierzig Kilometer weit weg...

Da geschah es eines Morgens, dass Augustus von einem zarten Kribbeln in seinen Handflächen geweckt wurde.

...und schwupp! -sass er schon am oberen Rand von Augustus' rissiger Pranke und liess die Feder zu den anderen fallen.


Sie hatten es bald entdeckt, wie der Vogel ein- und ausflog, und wenn es auch nicht alle für ein Wunder hielten, so schien es ihnen doch wunderlich genug, dass sie sich in ehrfurchtsvoller Entfernung in kleinen gruppen zusammenfanden und gespannt darauf warteten, wie es weiter gegen würde;...

Lärmend und "Zizipäh" ausstossend, trieb er sich auf den Wagendächern herum.


Da rannte Augustus auf den Zirkusplatz und begann zu tanzen.

Und auf einmal umringten alle lachend und schwatzend den starken Augustus, und jeder liess sich von ihm die Hände schütteln.

Er schürzte die Lippen und stiess ein leises "Zizipäh" aus, und der kleine Vogel antwortete mit einem Pfeifen, das ebenso klang.

Fast jeden Tag konnte man jetzt sehen, wie er im Kies des Zirkusplatzes nach buten Steinen suchte...

Da begab es sich eines Tages, dass jemand zu Augustus kam und ihm zurief, ob er eine Taschenuhr reparieren könnte.

Bald wusste es jeder in der Stadt, dass der Mann, der allabendlich viereinhalb Zentner Eisen in die luft hob und schwere Ochsenketten zerriss, der geschickteste Uhrmacher weit und breit war.

Als wäre mit dem Tag, an dem der kleine Vogel in der Hand von Augustus sein Nest gebaut hatte, ein glückliches Zeitalter angebrochen, begegneten die Leute im ganzen Land einander mit grosser Freundlichkeit.


Der Zirkusdirektor legte den Kopf in den Nacken und blies Rauchkringel nach oben.

Augustus wurde müde und legte sich nieder....Da wusste Augustus, dass sie ihm eine ganze Lokomotive aufgelegt hatten,...

...aber jetzt wurden die Pfiffe zu dicken, eisernen Peitschenschnüren, die prasselten auf ihn nieder und wickelten sich um seinen Leib und seine Glieder und pressten ihm das Blut aus den Adern...

Als er wider zu sich kam, lag er im Sägemehl der Manege und spürte noch immer das Gwicht auf seinem Nacken.

Dann, von überallher, kamen grosse dunkelbraune Bären und bedeckten ihn mit ihrem warmen Fell, und Augustus fiel abermals in einen tiefen Schlaf.

"Mein Vogel ist fort", rief Augustus, "aber der kommt auch wieder!"
"Kommrt auch wieder", sagte der Zirkusdirektor.

Augustus hatte an diesem Tag keine Freude daran, kleine Uhren zu reparieren....

Wie, wenn der kleine Vogel nicht mehr zurückkäme? Er schrie auf vor Schmerz, stürzte hinaus und rannte wie ein Besessener zwischen den Wohnwagen hin und her...

Die Zirkusleute kamen auf dem platz und sagten: "Sei ruhig, Augustus, zu Mittag wird er wiederkommen."

Aber das Nest im Wagen von Augustus blieb auch am Abend leer. Augustus schlief nicht in dieser Nacht.

Der kleine Vogel kam auch am nächsten Morgen nicht zurück. Als Augustua an diesem Morgen eine Taschenuhr reparieren wollte, zerbrach sie in seinen Händen.

Augustus drückte ihm die Hand. Der Zirkusdirektor zuckte mit den Schultern, aber er verzog keine Miene. Als ihn Augustus nicht mehr sehen konnte, blies er auf seine schmerzenden Finger "Jetzt ist er wieder so wie früher", sagte er nachdenklich.

Die Tage vergingen aber der kleine Vogel kam nicht zurück.
Manchmal sagten die Zirkusleute am Ausgang: " Du hast das "HEPP" vergessen, Augustus, "HEPP" muss gesagt werden. Dann ging Augustus noch einmal zurück in die Manege, hob gleichgültig seine Tatzen ein wenig nach oben und murmelte leise: "Also "HEPP", aber er sah auf den boden dabei.

Augustus begriff, dass ihn das Wunder verlassen hatte.... Die feinen Damen liessen ihre goldenen  Uhren durch ihre Diener abholen...

Und, als hätte der kleine Vogel allen Frieden und alle Fröhlichkeit mit sich fortgenommen, nistete sich im Zirkus und im ganzen Land umher wieder das gewöhnliche, graue leben ein.

er fing an, unter den wagen und unter den Sitztribünen umherzukriechen und nach seinem vogel zu suchen,... 

Als die Hertbststürme einsetzten, brach der Zirkus seine Zelte ab und zog in ein anderes Land. Aber Augustus blieb zurück...

Augustus streifte immer weiter durch das Land und suchte seinen Vogel. 

...und als er entdeckt hatte, dass viele leute kleine Vögel in Drahtkäfigen gefangen hielten,drang er in die Wohnungen ein, liess die Vögel frei und zertrampelte die Käfige...

Zugvögel flögen jedes Jahr im Herbst nach Afrika, das wäre immer schon so gewesen, riefen sie. Aber Augustus hörte schon lange nichts mehr.

Sie fingen ihn nach elf Tagen wie ein wildes Tier mit Netzen und brachten ihn in eine Zelle.

Drei Tage lang versuchte Augustus, die eiserne Tür aufzusprengen, dann erlahmten seine Kräfte, und er fügte sich in sein Schicksal.

Fortan hockte er regungslos auf seiner Pritsche und starrte zum vergitterten Fenster hinauf.
Er bemerkte es nicht mehr, wenn ihm der Wärter die Futterschüssel in die Hände legte,...

"Was hört man?" fragte dert Wärter.
"Die Lokomotiven", erklärte Augustus.

Er stiess Augustus aufmundernd an die schulter. Aber Augustus war schon tot.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen