Donnerstag, 26. Januar 2023

Friedrich Wilhelm Mader: Die Tote Stadt mit Bildern von Karl Mühlmeister

 Karl Rudolf Gustav Mühlmeister (1876–1942/1945) war ein deutscher Maler und Illustrator.

 



 
 


Frontispiz

Das Paläoskop


Münkhuysen zog ein achteckiges Rohr aus der Tasche, ziemlich kurz und dick, und schraubte es auf ein in den Erdboden eingelassenes Gestell fest. Nun begann er durch dieses ganz unbekannte Instrument nach den Sternen zu sehen. Mittels einer kleinen Kurbel stellte er sein Fernrohr ein, das er Paläoskop nannte, weil es, wie er sagte, gestatte, Blicke in uralte, vergangene Zeiten zu tun. Nach wenigen Minuten sagte er: »Jetzt habe ich ihn!« und ersuchte Ernst, durch das Okular zu schauen.
 
 

Mann über Bord!

Alle Rufe und Schreie des Entsetzens und der Warnung kamen jetzt zu spät: schon kämpfte der Held mit den schaumgekrönten Wellen, die ihn jeden Augenblick zu verschlingen drohten. Es schien, als werde er hilflos auf und ab geschleudert, oft verschwand er unter Wasser, doch tauchte er allemal wieder prustend auf und warf sich mit übermenschlich erscheinender Kraft gegen die auf ihn einstürmenden Fluten. Mit Staunen sahen alle, was für ein vorzüglicher, gewandter und kräftiger Schwimmer er war: keiner der anderen hätte sich in diese Strudel gewagt, nicht einmal die italienischen Matrosen, die doch vorzüglich schwammen.


Das Südkreuz

Die Dampfmaschine war inzwischen eingetroffen und wurde dem Schiffe einverleibt. Mittels mächtiger Winden wurde dann das »Südkreuz« auf ein Gestell mit walzenförmigen Rädern gehoben, das reinste Trockendock, und fest mit demselben verbunden. Dann bestiegen unsere Freunde sämtlich mittels einer Strickleiter das Verdeck; Münkhuysen ließ die Kessel heizen und die Maschine in Bewegung setzen, und – siehe da! majestätisch rollte das »Südkreuz« auf seinen zwanzig Rädern durch den Urwald, wie wenn es für Landfahrten gebaut worden wäre.
 
 

An der Eisküste

 
Das »Südkreuz« fuhr nach Osten, die Bankise oder Eisterrasse entlang, die in wechselnder Höhe von fünfzehn bis sechzig Metern und darüber den Südpolarkontinent umgürtet, als letzter Ausläufer der Inlandgletscher. Vorbei an Kap Bird, der äußersten Spitze der vom Erebus ausgehenden Hügelkette, strebte man König-Eduard-des-Siebenten-Land zu.
 
 

Das Verderben vor Augen

 

Nun sollte sich bald die vorhin angedeutete Unvorsichtigkeit rächen: unsere Freunde hatten nämlich, was kaum zu glauben war, vergessen, das Seil auf der Nordseite, der Seite des Aufstiegs, fest zu verankern: es hing da lose hinab. Wie gesagt, hatte es sich auf dem Sattel zwischen zwei Felsen eingeklemmt und einer seiner Knoten hielt es dort an der engsten Stelle fest. Diese Verengung wurde jedoch bloß durch eine dünne vorspringende Felszacke gebildet, die bald absplitterte, als das volle Gewicht der vier Männer aus der Südseite des Seiles hing, ohne irgend ein Gegengewicht auf der Nordseite.

Das Seil gab nach. Die daran Hängenden kamen ins Gleiten. Das Seil rutschte über den Bergsattel, erst langsam, dann immer schneller, je weniger davon auf der anderen Seite als schwaches Gegengewicht herabhing. Münchhausens Last war natürlich bei dem Unfall das Ausschlaggebende.

 

Antarktische Jagden

 

»Ach was!« widersprach Münchhausen: »Ein hochbeiniges Walroß ist das: ich kenne es gut von meiner ersten Südpolarfahrt her. Da es jedoch nicht in der See haust, sondern auf dem Landeis, und sein Haupt etwas ungemein Löwenähnliches aufweist, nannten wir es Eislöwe, wonach man sich zu richten hat!« Obgleich die anderen nie recht an die sagenhafte Südpolexpedition des Spaßvogels glaubten, so nahmen sie doch den Namen an, denn der Kopf des Tieres sah wirklich dem eines Löwen in vergrößertem Maßstabe auffallend ähnlich, abgesehen von den walroßartigen Hauern. Im übrigen war es freilich ein Dickhäuter, der auf massigen Beinen einhertrabte, und auch sein dichter Pelz unterschied es wesentlich vom König der Tiere, doch das war ja für die Benennung belanglos, da man ja sogar eine Robbe »Seelöwe« heißt.


Die Seeschlange

Plötzlich stieß Doktor Maibold einen gellenden Schrei aus: »Sehen sie dort, dort!« rief er schreckensbleich und deutete nach rechts ins Meer hinaus. Alle wandten sich dorthin und da wurde ihnen ein Anblick, der ihre Nerven aufs äußerste erschütterte: über den Meeresspiegel erhob sich ein Kopf, gleich dem eines Krokodils, nur geschmeidiger und von nie gesehener Größe, umwallt von einer weißen Mähne, so daß er sich auch mit einem riesigen Pferdehaupt vergleichen ließ. Aus dem aufgesperrten, wohl zwei Meter langen Rachen starrten drei Reihen scharfer Zähne; die grünschillernden, widerlichen Augen drängten sich gleich Kürbissen hervor. Und dieses unförmliche Haupt erhob sich höher und immer höher über dem Wasserspiegel und wiegte sich an einem Schlangenleib, der einem Urwaldbaum an Dicke glich und sich nach allen Seiten hin bog, neigte und wand in blitzschnellen Bewegungen.
 
 

Ein schwerer Unfall

 
 
Als sie sich der Vulkankette näherten, schoß plötzlich aus einer Felskluft ein grauenhaftes Ungetüm hervor. Es ließ sich in seiner furchtbaren Größe kaum übersehen. Der Hals mit dem verhältnismäßig kleinen Kopf glich einer Riesenschlange in vergrößertem Maßstabe, der Schwanz einem Krokodil, und dazwischen erhob sich haushoch der plumpe Leib auf vier massigen Beinen. Die ganze Länge dieses Ungeheuers betrug mindestens fünfunddreißig Meter.








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