Walter Zweigle (* 17. März 1859 in Stuttgart; † 1904 in Stuttgart) war ein deutscher Historienmaler und Illustrator.
Zweigle studierte in Stuttgart. Zu seinem Werk gehören zahlreiche Illustrationen in mehr als hundert Kinder- und Jugendbüchern.
Drei Damen waren es, begleitet von einer schwarzen Dienerin, die der junge Mann erblickte – eine würdige, vornehm gekleidete Matrone, dann eine Frau von etwa fünfzig Jahren, auf deren Antlitz sich Milde mit Entschlossenheit zu paaren schien, und ein außergewöhnlich schönes junges Mädchen. Als die Damen weiter heraufkamen, vernahm man auch ihre Unterhaltung.
»Wie schön die Aussicht von hier oben ist!« rief die jüngste der Damen entzückt aus. »Der Innen- und der Außenhafen sind von hier aus zu übersehen – und wie malerisch da unten Newport liegt!«
»Und dort liegt die Royal Karolina!« rief jetzt auch die Matrone, aufs Wasser hinzeigend. »Möge sie euch sicher nach Charlestown bringen – dich, meine liebe Nichte Gertrud, und unsere gute Frau Wyllys!«
Der Kapitän führte seinen Besuch zu einer Truhe, deren Deckel er öffnete. »Hier sehen Sie die Flaggen, unter denen ich schon reiche Siege erfochten habe – England, Frankreich, Spanien, Dänemark, Schweden, die Türkei – alle seefahrenden Völker sind vertreten. Die wichtigste aber und die gefürchtetste ist diese hier!« Der Grünrock zog eine schwere Tuchrolle hervor, die er langsam entfaltete und dann mit siegessicherem Lächeln in die Höhe hob.
Wilder sah ein blutrotes Feld ohne Bild und Wappen – eine breite blutige Fläche ohne irgend ein Abzeichen. »Das ist – die Farbe des roten Freibeuters!« flüsterte er mit gepreßt klingender Stimme, ohne jedoch nur einen Schritt vor dem unheimlichen Zeichen oder seinem Inhaber zurückzuweichen.
»Junger Freund,« sagte der rote Freibeuter, »die Wahl, zu gehen oder zu bleiben, steht Ihnen vollkommen frei. Bleiben Sie, so soll unser heutiges Zusammentreffen der Anfang einer langen und dauernden Freundschaft sein, denn nur der Tod soll uns dann trennen!« Unheimlich – fast drohend blickte der Kapitän den jungen Seemann an.
Die Negerin kreischte in diesem Augenblick laut auf und deutete dicht neben das Boot, wo ein dunkler Gegenstand von den Wellen hin- und hergeschleudert wurde. Jähes Entsetzen erfaßte auch die übrigen Insassen des Fahrzeugs. Sie erblickten einen männlichen Leichnam. In den verzerrten Zügen erkannten sie das Antlitz Nights – des meuterischen Steuermanns.
»Ein armes, kleines, schwaches Kind – und dicht dabei seine Wärterin. Die beiden unglücklichen Wesen waren halb verschmachtet – dazu kam noch die dumpfige Luft, in der das Paar Gott weiß wie lange schon gesteckt hatte – kurz und gut, wir schafften beide zu allererst an Deck, in frische Luft. Der kleine Knabe konnte kaum das Mäulchen mehr öffnen, um ein paar Tropfen Wasser mit Wein, die ich ihm einflößen wollte, hinunterzuschlucken. Die Wärterin aber, eine Schwarze, lag bereits in den letzten Zügen.«
Herzzerreißend begann die arme Mutter zu weinen. Sie sank vor den wilden Gesellen in die Kniee und rief: »Ich will den Himmel mit Gebeten für euch ermüden – aber laßt mir meinen Sohn! Auch ihr seid Menschen – auch ihr habt eine zärtlich liebende Mutter gehabt – gebt einer verzweifelnden Frau ihr Kind zurück! Alles will ich euch geben, was ich besitze – doch laßt mir meinen Sohn! Er stammt aus einem edeln Geschlecht, dessen ruhmreicher Name auf allen Meeren bekannt ist! Die Witwe de Laceys fleht um Gnade! Eine Mutter liegt im Staub vor euch und bettelt um das Leben ihres Kindes! Übt Gnade – habt Erbarmen!«
Tiefes Schweigen herrschte ringsum, als die Arme geendet. Zögernd sahen die wilden Freibeuter einander an – es schien, als ob doch ein besseres Gefühl sie ergriffe. Dennoch hatte die Sehnsucht nach Rache zu tiefe Wurzeln in ihre Gemüter geschlagen. Sie blickten finster und schweigend ihren Kapitän an.
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