Donnerstag, 10. Juni 2021

Gottfried Keller: Romeo und Julia auf dem Dorfe mit 10 Zeichnungen von Otto Baumberger

Otto Baumberger (* 21. Mai 1889 in Altstetten; † 26. Dezember 1961 in Weiningen) war ein Zürcher Plakatkünstler, Maler und Bühnenbildner. Er gilt als Erneuerer der Schweizer Plakatkunst und wichtiger Vertreter des schweizerischen Expressionismus.

 


 

 
An einem sonnigen Septembermorgen pflügten zwei Bauern auf zweien dieser Äckern, und zwar auf jedem der beiden äussersten; der mittlere schien seit langen Jahren brach und wüst zu liegen, denn er war mit Steinen und hohen Unkraut bedeckt und eine Welt von geflügelten Tierchen summte ungestört über ihm. Die Bauern aber, welche zu beiden Seiten hinter ihrem Pfluge gingen, waren lange knochige Männer von ungefähr vierzig Jahren und verkündeten auf den ersten Blick den sicheren, gutbesorgten Bauersmann.


Das ausgesandte Völklein jätete inzwischen lustig an dem Unkraut und hackte mit Vergnügen an den wunderlichen Stauden und Pflanzen allerart, die da sei Jahren wucherten. Denn da es eine ausserordentliche, gleichsam wilde Arbei war, bei der keine Regel und keine Sorgfalt erheischt wurde, so galt sie als eine Lust. Das wilde Zeug, an der Sonne gedörrt, wurde aufgehäuft und mit grossem Jubel verbrannt, dass der Qualm weithin sich verbreitete und die jungen Leute darin herumsprangen wie besessen.

Die nächsten Tage war es schon eine härtere Arbeit, zu welcher Mannsleute gehörten, als Manz die Steine aufnehmen und wegfahren liess. Es wollte kein Ende nehmen und alle Steine der Welt schienen da beisammen zu sein. Er liess sie aber nicht ganz vom Felde wegbringen, sondern jede Fuhre auf jenem steinigen Dreiecke abwerfen, welches von Marti schon säuberlich umgepflügt war. Er hatte vorher einen graden Strich gezogen als Grenzscheide und belastete nun dies Fleckchen Erde mit allen Steinen, welche beide Männer seit unvordenklichen Zeiten herübergeworfen, so dass eine gewaltige Pyramide entstand, die wegzubringen sein Gegner bleiben lassen würde, dachte er.


Die andere Hälfte der Zeit lagen sie verdrossen zu Hause oder gingen ihrer Arbeit nach, wobei sie dann durch ein tolles böses Überhasten und Antreiben das Versäumte eizuholen suchten und damit jeden ordentlichen und zuverlässigen Arbeiter verscheuchten.


...wie ihre Väter still geworden, aber mit verstärkter Wut einem hölzernen Steg zueilten, der in kleiner Entfernung über den Bach führte und eben sichtbar wurde....es donnerte auch in den grauschwarzen Wolken mit dumpfen Grolle und schwere Regentropfen fielen, als die verwilderten Männer gleichzeitig auf die schmale, unter ihren Tritten schwankende Brücke stürzten, sich gegenseitig packten und die Fäuste in die vor Zorn und ausbrechendem Kummer bleichen zitternden Gesichter schlugen.


Plötzlich sprang der schwarze Geiger mit einem Satze auf auf die rotbekleidete Steinmasse hinauf, kehrte sich und sah ringsum. Das Pärchen blieb stehen und sah verlegen zu dem dunklen Burschen hinauf; denn vorbei konnten sie nicht gehen, weil der Weg in das Dorf führte, und umkehren mochten sie auch nicht vor seinen Augen.


Der Estrich diente zum Tanzsaal; als Sali mit Vrenchen daherkam, sahen sie schon von weitem die Paare unter dem offenen Dache sich drehen, und rund um das Haus zechten und lärmten eine Menge lustiger Gäste.


Was noch zurückblieb, war das eigentliche Hudelvölkchen, welches  nirgends zu Hause war und sich zum guten Tag auch noch eine gute Nacht machen wollte.

 
Da die ratlos Verlassenen nichts Besseres wussten und überhaupt ganz verwirrt waren, liessen sie abermals geschehen, dass man sie voranstellte und die übrigen zwei Paare einen Zug hinter ihnen formierten, welchen der Bucklige abschloss mit seiner Bassgeige über der Schulter. Der Schwarze zog voraus und spielte auf seiner Geige wie besessen den Berg hinunter, und die Andern lachten, sangen und sprangen hintendrein.


So heftig er Vrenchen schon  umarmt und liebkost hatte, so tat er es jetzt doch ganz anders und stürmischer und übersäete es mit Küssen.




 

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