Montag, 30. November 2020

Ludwig Thoma: Lausbubengeschichten mit Zeichnungen von Olaf Gulbransson

 Olaf Leonhard Gulbransson, auch Olaf Leonhard Gulbranson, meist aber nur Olaf Gulbransson (* 26. Mai 1873 in Christiania (später Oslo); † 18. September 1958 auf dem Schererhof bei Tegernsee), war ein norwegischer Maler, Grafiker und Karikaturist. Internationale Bekanntheit erlangte er als Zeichner der Satirezeitschrift Simplicissimus

 
links: Portrait von Luwig Thoma, rechts: Olaf Gulbransson.
 
 


 

Der vornehme Knabe

Wie sie den ersten Tag da waren, sind sie im Dorf herumgegangen. Er hat die Häuser angeschaut und ist sthen geblieben. Da habe ich gehört, wie er gesagt hat: "Ich möchte nur wissen, von was diese Leute leben." ...Da hat er gefragt, ob wir immer Knödel essen, und seine Frau hat uns durch einen Zwicker angeschaut.


Es war noch ein Mann dabei mit einer Brille auf der Nase. Das war sein Instruktor, und sie sind  beim Rafenauer gestanden, wo die Leute Heu gerecht haben. Der Arthur hat hingedeutet und hat gefragt: "Was tun die machen?" Und der Instruktor hat gesagt: "Sie fassen das Heu auf. Wenn es genügend gedörrt ist, werden die Tiere damit gefüttert."


Er hat ein Dampfschiff gehabt. Das wenn man aufgezogen hat, sind die Räder rumgelaufen, und es ist schön geschwommen. Es waren auch viele Bleisoldaten und Matrosen farauf, und Arthur hat gesagt, es ist ein Kriegsschiff und heisst "Preussen".


Auf einmal hat es einen furchtbaren Krach getan und hat gezischt, und ein dicker Rauch ist auf dem Wasser gewesen. Ich habe gemeint, es ist etwas bei mir vorbeigeflogen, aber Arthur hat schon grässlich geheult, und er hat seinen Kopf gehalten. Es war aber nicht arg. Er hat bloss ein bisschen geblutet an der Stirne, weil ihn etwas getroffen hat. Ich glaube, es war ein Bleisoldat.


Der Arthur ist stehen geblieben, und der Rafenauer hat ihm Ohrfeigen gegeben. Er ist furchtbar grob. Und er hat immer geschrien: De Saububen zünden noch mei Haus a. Und meine Apfel stehlen's, und meine Zwetschgen stehlen's und mei Haus sprengen's in d'Luft!"

 

In den Ferien

Indes bin ich geschwind in den Stall und habe die Katze genommen. Ich habe ihr an den Schweif einen Pulverfrosch gebunden und bin hinten an das Haus vom Geheimrat am Zaun und habe den Frosch angezündet. Dann habe ich die Katze freigelassen. Sie ist gleich durch den Zaun geschossen und furchtbar gelaufen...und dann habe ich die Stimme von ihr gehört, wie sie gesagt hat: "Wo ist nur mein Kätzchen? Da bist du ja! Aber was hat das Tierchen am Scheif?" Dann hat es furchtbar gekracht und gezischt....und wie es still war, hat der Geheimrat gesagt; "Das ist wüder düser ruchlose Lauspube gewösen."

 

 ...aber ich habe gedacht, dass meine Mutter so geweint hat. Und da habe ich mir alles gefallen lassen.

Der Kindlein

Unser Religionslehrer heisst Falkenberg. Er ist klein und dick und hat eine golden Brille auf. Wenn er etwas Heiliges redet, zwickt er die Augen zu und macht seinen Mund spitzig. Er faltet immer die Hände und ist techt sanft und sagt zu uns: "Ihr Kindlein."


Unser KLassprofessor. Der schimpft eine furchtbar und sagt "mistiger Lausbub", und zu mirhat er einmal gesagt, er haut das grösste Loch in die Wand mit meinem Kopf.

Ich habe den Raithel gefragt, was es gibt. "Dem Aloysius ist die Nase weggehaut", hat er gesagt


Gute Vorsätze

Er hat alle Sünden in ein Büchlein geschrieben und es unter sein Kopfkissen gesteckt. Das habe ich auch getan; aber da habe ich es vergessen, und wie ich aus der Klasse heimkam, hat mich der Onkel Pepi gerufen und gesagt: "Du hast voriges Jahr aus meiner Hosentasche zwei Mark gestohlen." Da habe ich gemerkt, dass er meine Gewissensforschung gelesen hat, aber es waren bloss sechzig Pfennig.

...und ich war froh, wie der Kommuniomstag da war. Meine liebe Mutter hat mir einen schwarzen Anzug geschickt und eine gtosse Kerze.

Der Fritz hat auch ein ernstes Gesicht gemacht, und ich habe ihn beinahe nicht gekant, wie er langsam neben mir hergegangen ist.


Besserung



...wo schon Leute drin waren. Ein dicker Mann ist am Fenster gesessen, und an seiner Uhrkette war ein grosses silbernes pferd. Auf der andern Bank ist ein kleiner Mann gesessen mit einer Brille, und er hat immer zu dem Dicken gesagt, Herr Landrat, und der Dicke hat zu ihm gesagt, Herr Lehrer.


Wie der Zug gegangen ist, hat der Fritz eine Zigarre angezündet und den Rauch auf die Decke geblasen, und ich habe es auch so gemacht.   ...und ein grosser Mann in der andern Abteilung ist aufgestanden und hat mit einem tiefen Bass gesagt: "Leider, leider gibt es keine vernünftigen Öldern nicht mehr."

 

Er sagte zu dem Mann: "Deswegen brauchen Sie doch keinen solchen Spektakel zu machen." Und zu uns hat er gesagt: "Sie dürfen es nicht tun, meine Herren."


Da bin ich ins Bett gegangen, und es war schön, wie ich darin gelegen bin. Meine Mutter hat noch bei der Türe hereingeleuchtet und hatb gesagt: "Erhole dich recht gut, Kind."

Onkel Franz


...und die Tante Anna, welche den ganzen Tag herumgingen und achtgaben, dass nichts passierte.

Ich habe es abgeschrieben und dem Professor gegeben. Am Donnerstag kam die Aufgabe heraus, und ich meinte, dass ich einen Einser kriege. Es war aber wieder ein Vierer, und das ganze Blatt war rot, und der Professor sagte: "So eine dumme Rechnung kann bloss ein Esel machen."
"Das war mein Onkel", sagte ich, der hat es gemacht, und ich habe es bloss abgeschrieben.
Die ganze Klasse hat gelacht, und der Professor wurde aber rot.

Das haben sie miteinander ausgemacht, denn der Onkel sagte gleich, wie ich heimkam: "Ich habe mit deinem Professor gesprochen. Die Rechnung war schon gut, aber du hast beim Abschreiben nicht aufgepasst, du Lausbub."

Der Meineid

Ich sagte: "Ich weiss nichts; ich habe doch gar nichts getan."


"Ich habe doch gar keinen Stein nicht hineingeschmissen", sagte ich.
"Antworte ja - oder nein, im Namen alles Heiligen!"
"Nein", sagte ich....aber ich bin nicht so dumm.

Die Verlobung

Unser Klassprofessor Bindinger hatte es auf meine Schwester Marie abgesehen.
...Wenn ich heimkam, fragte sie mich oft: "Hat dich der Herr Professor aufgerufen? Ist der der Herr Professor freundlich zu dir?"

Da stand der Herr Professor Bindinger, und Marie hat den Kopf bei ihm angelehnt, und er schielte furchtbar.

Gretchen Vollbeck


Wir sprachen im Gymnasium öfters von Gretchen Vollbeck, und ich verteidigte sie nie, wenn einer erklärte, sie sei eine ekelhafte Gans, die sich bloss gescheit mache.
 
Ich war durch diese Worte nicht so vernichtet, wie Herr Vollbeck annahm, aber ich war doch froh, dass Gretchen ankam.

Die Vermählung

Jetzt kam ein Wagen, da war Onkel Franz drin mit Tante Gusti und ihrem Sohn Max, den ich nicht leiden kann.

Alles war still, und Max stand auf und probierte anzufangen. Aber er konnte nicht, weil er umfiel und käseweiss war.


"Da geht sie", sagte meine Mutter ganz still für sich. Und Lottchen stand neben ihr und sagte:: "Ja, wie ein Lamm zur Schlachtbank."

Meine erste Liebe

Ich dachte oft, wenn ich nur auch schon Offizier wäre, weil ich ihr dann vielleicht gefallen hätte, aber so behandelte sie mich wie einen dummen Buben und lachte immer dreckig, wenn ich eine Zigarre von ihrem Papa rauchte.

Das war so. Immer wenn ich um acht Uhr früh in die Klasse ging, kam die Tochter von unserem Hausmeister, weil sie in das Institut musste.
Sie war sehr hübsch und hatte zwei grosse Zöpfe mit roten Bändern dran und schon einen Busen...sie blieb vor dem Hause stehen und schaute in den Buchbinderladen hinein, bis ich kam.

Ich erzählte ihm alles ganz genau, aber wie ich fertig war, drückte er das linke Auge zu und sagte: "Du bist schon ein verdammter Holzfuchs. Es liegt mir ja gar nichts daran, aber meiner Frau."

Das Baby


Sie haben ir kleines Kind mitgebracht. Das ist jetzt zwei Jahre alt und heist Marie.
Meine Schwester heisst es aber Mimi, und meine Mutter sagt immer Mimili.

...meine Mutter rief: ""Ja, Ludwug, du hast ja Mimili noch gar nicht begrüsst und siehst doch dein kleines Nichtchen zum erstenmal! Sieh nur her! Wie lieb und hübsch sie ist!"
Ich fand sie gar nicht hübsch; sie war wie alle kleinen Kinder.
 
"Ich kann es gar nicht verstehen", sagte ich.
"Weil du überhaupt nichts weisst, loser Bube!" schrie Bindinger und machte blitzende Augen, wie in der Schule; "wenn du jemals den Aristoteles kennenlernen wirst, so wirst du begreifen, dass die Sprache unseres Kindes die onomato-poetische, die schallnachahmende, Wortbildung ist."
Er brüllte so laut, dass der Fratz zu weinen anfing.

 

 

 




 

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