Sonntag, 2. August 2020

EMILE ZOLA: Das Geld (L'Argent) illustriert von Jürgen Alexander Hess

Jürgen Alexander Heß (* 1. März 1943; † 5. August 2001 in Hamburg) war ein deutscher Illustrator. Er absolvierte nach seinem Schulabschluss eine Lehre als Dekorateur im Hamburger Alsterhaus. Im Anschluss hieran besuchte er von 1963 bis 1967 die Fachhochschule für Graphik und Design in Hamburg. Er war fortan für verschiedene Verlage tätig.
Er schuf Illustrationen zu Emil Zolas  Romanserie Die Rougon-Macquart: nämlich zu  Die Beute, Seine Exzellenz Eugene Rougon, Germinal und Das Geld.


An der Börse hatte es elf Uhr geschlagen, als Saccard bei Champeaux den weissgoldenen Saal betrat, dessen zwei hohe Fenster auf den Platz hinausgingen.

Aber in diesem Augenblick entstand im Saal eine grosse Aufregung. Gundermann war hereingekommen, der Bankkönig, der Herr der Börse und der grossen Welt, ein Mann von sechzig Jahren, dessen riesiger Kahlkopf mit der dicken Nase und den hervortretenden  runden Augen ungeheuren Starrsinn und grosse Müdigkeit ausdrückte.

Saccard und Jantou gingen gemählich in die Rue Brongniart zurück. Dort stand noch immer das Kupee der Baronin, aber die Fenster waren geschlossen, der geheimnisvolle wagen schien leer zu sein,...

Als Saccard das Nebenzimmer betrat, verharrte er einige Sekunden, geblendet von dem grellen Sonnenlicht, das durch das gardinenlose Fenster fiel. Das mi einer blassblauen Blümchentapete ausgeschlagene Zimmer war ganz kahl: nur ein kleines eisernes Bettgestell stand in einer Ecke und in der Mitte ein Tisch aus Fichtenholz mit zwei Strohstühlen....Buschs Bruder Sigismond, ein bartloser junger Mann von fünfunddreissig mit langem, spärlichem kastanienbraunem Haar, sass am Tisch.

Als sie wieder auftauchte, trug sie ein einfaches schwarzes Wollkleid; das Haar unter einem Spitzentuch verborgen...

Sie schüttelte den Kopf, war voller Bitternis über das Leben, das sie für gewöhnlich so mutig annahm, selbst wenn es sich als böse erwies. Und da Hamelin in diesem Augenblick nach Hause kam und die Nachricht von einem letzten Misserfolg brachte, flossen ihr langsam dicke Tränen über die Wangen.

Eines Tages beobachtete Frau Caroline wie gewöhnlich vom Fenster des grossen Arbeitszimmer aus due Gräfin und deren Tochter bei ihrem Gang durch den Garten....

Und in seiner glücklichen, fieberhaften Erregung suchte er ihre Lippen, um sie zu küssen. Aber mit einer schroffen Bewegung hatte sie den Kopf weggezogen und war, von plötzlichem Umbehagen befallen, ernst und blass geworden. "Nein, bitte nicht."

Und da ein neuer Regenschauer wie ein rauschender Strom auf das Pflaster klatschte, sprang er in eine Droschke und rief dem Kutscher die Adresse zu, Rue de Provence.

Mit gesenktem Kopf überlegte Saccard.
"Mein Gott, wenn sie darauf bestehen!"

Kolb war gerade unten in der Giesserei; und als Freund des Hauses ging Saccard zu ihm hinunter.

"Gnädige Frau, wollen Sie bitte Platz nehmen..."
Noch nie hatte er sie so seltsam verführerisch gesehen mit ihren roten Lippen, den brennenden Augen, den blauen Lidern, die tief unter dichten Brauen lagen.

"Aber mein Bester, so macht man das doch nicht...Behalten Sie Ihr Geld, ich werde Sie eintragen, und Sie werden zur rechten Zeit und am rechten Ort einzahlen."

Einen Monat später, in den ersten Tagen des November, war die Einrichtung der Banque Universelle noch nicht beendet. Tischler arbeiteten noch an den Täfelungen, Maler verkitteten die letzten Teile des riesigen Glasdaches, das den Hof überdeckte.

Beklommenen Herzens betrachtete Frau Caroline den Hof, ein wüstes Gelände voller Morastlöcher, das der angesammelte Unrat in eine Kloake verwandelte. Alles wurde dorthin geworfen, es gab keine Müll- und keine Jauchegrube, dieser Misthaufen wurde unaufhörlich grösser und verpestete die Luft...

Eine finstere Falte hatte sich in Victors Stirn eingegraben. Er antwortete nicht und seine jungen Wolfsaugen warfen nur noch die schiefen Blicke eines neidischen Räubers auf diese zur Schau gestellte verschwenderische Pracht: er wollte alles haben...

Am nächsten Tag gab die Generalversammlung Gelegenheit zu wahrhaft rührenden Kundgebungen. Sie wurde noch in dem Saal in der Rue Blanche abgehalten, wo ein Veranstalter öffentlicher Bälle Bankrott gemacht hatte...

Als er sie auf den Treppenabsatz hinausbegleitete, so aufgeregt, als begäbe sie sich in eine grosse Gefahr, mussten sie beiseite treten und Huret vorbeilassen, der endlich kam.

...sie erzählte von ihrem Besuch bei Busch, der zwischen seinen schmierigen Akten sass, von der barschen Art, wie er sie empfangen hatte, von seinen Drohungen, ihnen nicht einen Fetzen zu lassen, wenn nicht augenblicklich die ganze Schuld beglichen würde.

Und in dieser Minute, Viertel vor zwei, schlug es wie der Blitz mitten in der Börse ein: Österreich trat Venetien an den Kaiser ab, der Krieg war zu Ende....In rasenden Sprüngen kletterten die Kurse inmitten dieses schrecklichen Tumults nach oben.

 "Gnädige Frau, ich komme wegen der zwei Hemden,  mir die Wäscherin verdorben hat und die sie mir nicht ersetzen will. Sicher wird die gnädige Frau nicht denken, dass ich so einen Verlust hinnehmen kann..."

Und als er in seine Stiefel gefahren war, stampfte er energisch auf dem Teppich auf und sagte:"So, jetzt bin ich fertig, und ich bleibe." Delcambre erstickte fast vor Wut. Mit vorgestreckter Schnauze kam er näher: "Du dreckiges Schwein, willst du wohl abhauen!"
"Nicht vor dir, alter Halunke!"
"Ich knall dir eine!"
"Ich trete dir in den Wanst!"

Das war ein hübsches Stück Arbeit, sie hatte keine Späne, doch es gelang ihr, die Scheite einfach nur mit alten Zeitungen in Brand zu setzen. Sie kniete vor der Feuerstelle und musste darüber lachen.

Saccard empfing die Gräfin Beauvilliers mit der Schroffheit eines noch ganz aufgeregten Mannes. Nicht einmal der Anblick der stummen, unergründlichen Alice, die ihre Mutter begleitete, konnte ihn beruhigen.

Wie betäubt hörten ihm die beiden zu und interessierten sich schliesslich brennend für diese Zahlen.

Fast zur gleichen Zeit lehnte es die kleine Frau Conin rundweg ab, sich mit Saccard einzulassen. Er kam oft in den Papierwarenladen in der Rue Feydeau, weil er immer Handbücher brauchte, und diese liebenswürdige, rosige, rundliche Blondine mit dem hellen, mattseidenen Haar, dieses kleine gelockte Schäfchen, so anmutig und schmeicherisch und immer fröhlich, hatte es ihm sehr angetan.

Um endlich ungestört plaudern zu können, entschloss er sich, die Baronin in den Speisesaal mitzunehmen...

 Doch als sie die Türe aufmachte, war der Hauptmann allein und rauchte seine Pfeife,...

Der Raum war von kalter Nacktheit; sein schmales eisernes Bettgestell, sein Tisch und seine beiden Stühle, seine wenigen, mit Büchern überladenen Bretter waren das einzige Mobiliar. In dem kleinen Ofen vordem Kamin hatte man vergessen nachzulegeb, und er war erloschen.

 Und da die Méchain die Tür versperrte, musste er sie beiseite drängen, sich an ihr vorbeiquetschen, um hinaus zu gelangen. Sie erstickte fast vor Wut, mit ihrem Flötenstimmchen schrie sie ihm auf der Treppe nach: "Sie Schurke! Sie herzloser Mensch!"

 Mit geübter Hand durchblätterte der Makler, sichtlich zufrieden, die Depeschen.

 Der Marquis de Bohain, Sédille, Kolb und Huret schüttelten ihm beide Hände, während ihn Daigremont mit dem verlogenen Lächeln seiner weltmännischen Liebenswürdigkeit beglückwünschte,...

Er stand auf und schnitt ihr das Wort ab.

Mazaud war zur gleichen Zeit wie Jacoby und Delarocque in das Maklerzimmer zurückgekehrt. Er trat ans Buffet, trank ein Glas Bier, weil brennender Durst ihn verzehrte...

Busch hörte mit aufmerksamer, ernster Miene zu; auf diese neue Fährte angesetzt, wurde er zu einem Schritt gedrängt, den zu tun er gar nicht gekommen war, dessen entscheidende Folgen er aber erriet: Saccard würde verhaftet werden, die Banque Universelle wäre zu Tode getroffen.

"Nun ja! Wir sind bald zu dritt, man kann es wohl eingestehen, jetzt, wo ich ein Mann bin, der seinen Lebensunterhalt verdient..."

Und in dem roten Abglanz des Feuers lag Mazaud hingestreckt auf dem Sofa, den Kopf von einer Kugel zerschmettert, die Hand um den Griff des Revolvers gekrampft; vor ihm stand seine junge Frau, die herbeigelaufen war und jenen Klagelaut ausstiess, jenen anhaltenden wilden Schrei, der bis auf die Treppe zu hören war.

"Seien Sie still! Seien Sie still!" schrie wütend die Gräfin mit erhobenen Armen, als wollte sie sie zermalmen, wenn sie fortführe. Léonie bekan Angst, und da sie als Dirne an Ohrfeigen gewöhnt war, hob sie instiktiv den Ellbogen, um ihr Gesicht zu schützen.

Als sie eintrat, sass Saccard, mit dem Rücken zur Tür, an einem kleinen Tisch und schrieb Zahlen auf ein Blatt Papier.

Er war tot. Von Mitgefühl und Rührung überwältigt, war Frau Caroline in seinen Anblick versunken, als hinter ihr ein Sturmwind ins Zimmer zu brausen schien. Es war Busch; keuchend und von Angst gepeinigt, kam er ohne Arzt zurück, während die Méchain ihm auf den Fersen folgte...


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