George Grosz
Die Erstausgabe von Daudets Tartarin de Tarascon mit den Illustrationen von Georg Grosz erschien 1921 im Erich-Reiss-Verlag.
Die hier gezeigten Illustrationen stammen aus der Ausgabe des Insel-Verlags.
Tartarin im Waffenkabinett
Man denke sich einen ziemlich großen Raum, dessen Wände von oben bis
unten mit Flinten und Säbeln bedeckt sind. Da sah man Waffen aller
Zeiten und Länder, Karabiner, Rifles, Tromben, korsische Messer,
Bowiemesser, Revolver, Dolche, malaiische Krise, karaibische Bogen,
Speere, Totschläger, Keulen, mexikanische Lassos und viele andere
ähnliche Dinge. Von oben fiel ein heller Sonnenstrahl auf alle die
Waffen, so daß die Degenklingen und Gewehrläufe blitzten und blinkten
und man eine Gänsehaut bekommen konnte; was einen jedoch wieder etwas
beruhigte, war die Ordnung und Sauberkeit, die in diesem Privatzeughaus
herrschte. Alles war geordnet und sorgsam geputzt, und etikettiert wie
im Apothekerladen. Hier und da hing an einem Gegenstande ein kleiner
Zettel, auf dem zu lesen war:
Die Mützenjäger
An jedem Sonntagmorgen greift ganz Tarascon zum Schießgewehr und hinaus gehts vor die Tore, die Büchse um die Schulter gehängt, den Quersack auf dem Rücken, unter Hundegebell, Trompeten- und Jagdhorngeschmetter. Schade nur, daß eine Kleinigkeit fehlt, die sonst zum Jagen als unerläßlich betrachtet wird – das Wild nämlich; davon ist aber auch nicht die geringste Spur zu finden Die Tiere sind von Haus aus dumm, das ist richtig; aber so dumm waren sie denn doch nicht, daß sie nicht mit der Zeit eingesehen hätten, wie wenig Gutes sie in dieser Gegend zu gewärtigen hatten.
(Diese Zeichnung fehlt in der Ausgabe des Inselverlages)
An jedem Sonntagmorgen greift ganz Tarascon zum Schießgewehr und hinaus gehts vor die Tore, die Büchse um die Schulter gehängt, den Quersack auf dem Rücken, unter Hundegebell, Trompeten- und Jagdhorngeschmetter. Schade nur, daß eine Kleinigkeit fehlt, die sonst zum Jagen als unerläßlich betrachtet wird – das Wild nämlich; davon ist aber auch nicht die geringste Spur zu finden Die Tiere sind von Haus aus dumm, das ist richtig; aber so dumm waren sie denn doch nicht, daß sie nicht mit der Zeit eingesehen hätten, wie wenig Gutes sie in dieser Gegend zu gewärtigen hatten.
(Diese Zeichnung fehlt in der Ausgabe des Inselverlages)
... diese lagern sich ruhig und seelenvergnügt im Schatten eines
Ziehbrunnens, einer alten Mauer oder auch eines Olivenbaumes, ziehen
ihre Quersäcke vor und packen ihre Vorräte aus. Der eine hat ein
tüchtiges Stück Braten, der andere gibt die rohen Zwiebeln dazu; dieser
hat Sardellen, jener eine Wurst – so wird denn in aller Gemütlichkeit
gefrühstückt und die Kehle mit einem jener Weine aus dem Rhonegebiet
angefeuchtet, die binnen kurzem zum Lachen und Singen bringen.
Tartarins Traum
daß er sich in die Lektüre romantischer Erzählungen
vertiefte oder daß er versuchte, sich gleich dem unsterblichen Don
Quixote durch die Stärke seiner Einbildungskraft der ihn umgebenden
schalen Wirklichkeit zu entziehen, die ihn wie mit Geierkrallen gepackt
hatte und fest hielt. Gerade das, was dazu dienen sollte, seine Sucht
nach Abenteuern zu stillen, fachte sie immer von neuem und immer noch
heftiger an. Beim Beschauen seiner Waffensammlung geriet er in einen
Zustand von Erregung und Heftigkeit, der manchmal besorgniserregend
wurde. Seine Gewehre, seine Bogen, seine Lassos, sie alle schienen ihm
unaufhörlich zuzurufen: »Auf zum Kampf! Zum Kampf!« Wenn der Wind in den
Zweigen seines Baobab spielte und es leise rauschte, dann flüsterte ihm
eine geheimnisvolle Stimme von großen Reisen zu und gab ihm schlimme
Ratschläge. Dazu kam noch die stete Lektüre der Werke von Gustav Aimard,
Fenimore Cooper . . .
Das, was er gelesen hatte, glaubte er in Wirklichkeit zu erleben; der
Ton seiner eigenen Stimme brachte ihn in immer noch größere Erregung.
So schwang er denn einen Speer oder einen Tomahawk über dem Kopfe und
schrie:
»So, jetzt sollen sie nur kommen!«
»Sie«? Wer sind »sie«?
Ja, das hätte Tartarin so ganz genau selbst nicht sagen können. »Sie« – damit waren einfach alle Angreifer, alle Gegner gemeint, alles, was haut, sticht, beißt, was skalpiert, ein Kriegsgeschrei ausstößt – kurz, was sich als Gegner der Zivilisation zu erkennen gibt. »Sie« – das waren die Sioux-Indianer, die ihre Siegestänze um den Marterpfahl ausführen, an den das unglückliche Bleichgesicht gebunden ist.
»So, jetzt sollen sie nur kommen!«
»Sie«? Wer sind »sie«?
Ja, das hätte Tartarin so ganz genau selbst nicht sagen können. »Sie« – damit waren einfach alle Angreifer, alle Gegner gemeint, alles, was haut, sticht, beißt, was skalpiert, ein Kriegsgeschrei ausstößt – kurz, was sich als Gegner der Zivilisation zu erkennen gibt. »Sie« – das waren die Sioux-Indianer, die ihre Siegestänze um den Marterpfahl ausführen, an den das unglückliche Bleichgesicht gebunden ist.
Tartarin, der durch vielerlei Lektüre auf diesem Gebiete sehr unterrichtet war, gab mit größter Zuvorkommenheit jede nur erwünschte Auskunft, und das Ende vom Liede war, daß der Biedermann selbst nicht mehr recht wußte, daß er nicht in Schanghai gewesen war. So erzählte er denn auch mehr als hundertmal den Angriff der Tataren: seine Geschichte schloß regelmäßig mit den Worten: »Und nun ließ ich alle meine Angestellten bewaffnen, hißte die Konsulatsflagge, und dann ging's piff, paff aus den Fenstern auf die Tataren.« Staunend hörte der Klub die Erzählung an, und jeden überlief es kalt bei der Schilderung des Kampfes.
(Diese Zeichnung fehlt in der Ausgabe des Inselverlages)
Ein furchtbarer und doch großartiger Anblick! Der Löwe von Tarascon
und der Löwe aus dem Atlas – hier standen sie einander gegenüber.
Auf der einen Seite, nämlich außerhalb des Eisengitters, stand Tartarin. Er hatte den Oberkörper ein wenig nach vorn gebeugt und stützte sich auf sein Gewehr. Auf der andern Seite stand der Löwe, wirklich ein sehr schönes Exemplar. Die Tatzen waren in dem Stroh versteckt, das ihm im Käfig als Lager diente; den ungeheuern Kopf mit der gelben Mähne hatte er auf die Vorderpranken gesenkt; er blinzelte mit den Augen.
Auf der einen Seite, nämlich außerhalb des Eisengitters, stand Tartarin. Er hatte den Oberkörper ein wenig nach vorn gebeugt und stützte sich auf sein Gewehr. Auf der andern Seite stand der Löwe, wirklich ein sehr schönes Exemplar. Die Tatzen waren in dem Stroh versteckt, das ihm im Käfig als Lager diente; den ungeheuern Kopf mit der gelben Mähne hatte er auf die Vorderpranken gesenkt; er blinzelte mit den Augen.
Im Hafen von Marseille
Eben schlug es zwölf Uhr, da sahen die Marseiller zu ihrem größten
Erstaunen einen Türken durch die Straßen wandeln. Und zwar einen Türken,
wie sie gleich sonderbar ausstaffiert noch niemals einen zu Gesicht
bekommen hatten. Das will viel sagen, denn an Türken
ist doch in Marseille kein Mangel, das weiß der Himmel. Dieser das
allgemeine Aufsehen erregende Türke war, wie wohl kaum noch ausdrücklich
gesagt zu werden braucht, Tartarin, der große Tartarin aus Tarascon,
der am Quai entlang schritt und von einigen Packträgern seine
Waffenkisten, seine Apotheke, seine Konserven und das übrige Gepäck
hinter sich hertragen ließ. Er kam eben aus dem Bureau der
Dampfschiffsgesellschaft und wollte sich an Bord des Paketbootes »Der
Zuave« begeben, das ihn nach Afrika hinüber befördern sollte.
Die Überfahrt
Zwischen Frankreich und Algier
Es ist sechs Uhr nachmittags und das Schiff befindet sich auf der Höhe der Insel Korsika. Der unglückselige Fez neigt sich über die Brustwehr und starrt in das Meer hinab, als wenn er da unten auf dem tiefen Grunde etwas suchen wolle.
(Diese Zeichnung fehlt in der Ausgabe des Inselverlages)
Im Hintergrund einer engen Kabine steht ein kleines Bett, das wie eine Kommodenschublade aussieht, und in diesem liegt eine formlose Masse; sie wälzt sich wimmernd auf dem Kopfkissen. Das ist der Fez, der bei der Abfahrt so stolz und siegesgewiß dreinschaute, jetzt aber zu einer gewöhnlichen Nachtmütze herabgesunken ist und bis über die Ohren den Kopf eines Kranken verhüllt, dessen Gesicht so bleich und so vom Schmerz verzerrt!
Die Anrufung des Cervantes
Fünf Minuten später kam das Boot an der Landungsbrücke an, und Tartarin setzte den Fuß auf den kleinen Berberquai, woselbst drei Jahrhunderte früher ein spanischer Galeerensklave, namens Miguel Cervantes, an der Ruderbank einen unvergleichlichen Roman ersann, den er betitelte: »Don Quixote«.
Da tauchte plötzlich, nur wenige Schritte von ihm entfernt, ein dunkler riesengroßer Körper auf. Tartarin gab keinen Laut von sich, er wagte kaum zu atmen.
Das geheimnisvolle Wesen duckte sich nieder, richtete sich dann wieder auf, beschnüffelte den Erdboden, drehte sich im Kreise herum, schien sich entfernen zu wollen, kehrte aber plötzlich zurück und blieb ganz nahe vor ihm stehen – das war der Löwe, kein Zweifel, das war er! Jetzt konnte man auch seine vier kurzen Füße erkennen, den Umriß seines mächtigen Nackens und zwei Augen – zwei Augen, die wie Kohlen glühten, leuchteten aus dem Dunkel. Das Gewehr an die Wange! Feuer! Piff! paff!
Die Überfahrt
Zwischen Frankreich und Algier
Es ist sechs Uhr nachmittags und das Schiff befindet sich auf der Höhe der Insel Korsika. Der unglückselige Fez neigt sich über die Brustwehr und starrt in das Meer hinab, als wenn er da unten auf dem tiefen Grunde etwas suchen wolle.
(Diese Zeichnung fehlt in der Ausgabe des Inselverlages)
Im Hintergrund einer engen Kabine steht ein kleines Bett, das wie eine Kommodenschublade aussieht, und in diesem liegt eine formlose Masse; sie wälzt sich wimmernd auf dem Kopfkissen. Das ist der Fez, der bei der Abfahrt so stolz und siegesgewiß dreinschaute, jetzt aber zu einer gewöhnlichen Nachtmütze herabgesunken ist und bis über die Ohren den Kopf eines Kranken verhüllt, dessen Gesicht so bleich und so vom Schmerz verzerrt!
Die Anrufung des Cervantes
Fünf Minuten später kam das Boot an der Landungsbrücke an, und Tartarin setzte den Fuß auf den kleinen Berberquai, woselbst drei Jahrhunderte früher ein spanischer Galeerensklave, namens Miguel Cervantes, an der Ruderbank einen unvergleichlichen Roman ersann, den er betitelte: »Don Quixote«.
Da tauchte plötzlich, nur wenige Schritte von ihm entfernt, ein dunkler riesengroßer Körper auf. Tartarin gab keinen Laut von sich, er wagte kaum zu atmen.
Das geheimnisvolle Wesen duckte sich nieder, richtete sich dann wieder auf, beschnüffelte den Erdboden, drehte sich im Kreise herum, schien sich entfernen zu wollen, kehrte aber plötzlich zurück und blieb ganz nahe vor ihm stehen – das war der Löwe, kein Zweifel, das war er! Jetzt konnte man auch seine vier kurzen Füße erkennen, den Umriß seines mächtigen Nackens und zwei Augen – zwei Augen, die wie Kohlen glühten, leuchteten aus dem Dunkel. Das Gewehr an die Wange! Feuer! Piff! paff!
Um die Sache vollends auf die Spitze zu treiben, mischte sich nun gar noch der Pantoffel der Dame hinein. Er fühlte, wie das kleine reizende Pantöffelchen sich seinen plumpen Jagdstiefeln näherte, wie es gleich einem roten Mäuschen auf ihnen herumlief . . . .
Trunken vor Liebe, zu allem bereit, stürzte er der Maurin nach. Auf das Geräusch seiner schweren Schritte hin wandte sie sich um, legte einen Finger an ihren Schleier, wie um ihn zur Vorsicht und zum Schweigen zu ermahnen; mit der andern Hand warf sie ihm einen kleinen parfümierten, nach Jasmin duftenden Rosenkranz zu.
»Aufgepaßt!« dachte dann der Held. »Ich ahne es, jetzt wird sich etwas ereignen.«
Meistenteils traf seine Ahnung ein, und es ereignete sich wirklich etwas. Es wurde ihm nämlich ein Topf kaltes Wasser auf den Kopf gegossen oder man bewarf ihn mit Apfelsinenschalen und Feigen. Harte Gegenstände bekam er aber glücklicherweise nie an den Kopf.
Prinz Gregor von Montenegro
(Diese Zeichnung fehlt in der Ausgabe des Inselverlages)
Tartarin und Bahia
Alles in allem genommen, war der Tarasconese sehr glücklich. Tartarin-Sancho fühlte sich besonders wohl; das türkische Konfekt mundete ihm vortrefflich, und er war noch mit keiner Lebenslage so vollkommen zufrieden gewesen wie mit der gegenwärtigen. Tartarin-Quixote fühlte zwar hin und wieder Gewissensbisse, wenn er gerade einmal an Tarascon und die versprochenen Löwenfelle dachte. Aber diese Gemütsstimmung hielt niemals lange an, und um sie vollständig zu vertreiben, genügte ein Blick aus Bajas dunkeln Augen oder auch ein Löffel voll jener dämonisch wirkenden, wohlriechenden und wohlschmeckenden Konfitüren, die die Sinne betören wie die Zaubertränke der Circe.
Plötzlich, als unser Held um eine Ecke bog, sah er gerade vor sich – nun, man rate – einen prächtigen Löwen. Das Tier hatte sich vor der Türe eines Kaffeehauses niedergelassen; seine lange gelbe Mähne glänzte golden im Sonnenlicht.
»Was?« schrie der Tarasconese, und machte erschrocken einen Satz nach hinten. »Was? Da wagt jemand zu sagen, es gäbe überhaupt keine mehr?«
Als der Löwe diesen Ausruf hörte, neigte er langsam den mächtigen Kopf, hob mit dem Maule einen hölzernen Teller auf, der vor ihm auf dem Straßenpflaster stand und hielt ihn nach der Seite hin, auf der Tartarin stand, starr vor Staunen. Da ging ein Araber an dem Löwen vorüber und warf ein Soustück auf den Holzteller; das Tier wedelte, wie zum Zeichen des Dankes, mit dem Schweife. Jetzt verstand Tartarin alles. Jetzt bemerkte er auch, was ihm im ersten Augenblick der Erregung entgangen war, und was zu erkennen ihn wohl auch die Menschenmenge gehindert hatte, die sich um das königliche Tier drängte – der arme Löwe war blind und dressiert.
...und stürzten sich mit erhobenen Knütteln auf den Tarasconesen, und es begann eine fürchterliche Prügelei.
»Wissen Sie, was mir dabei am meisten gefällt?« sagte er nach längerem Überlegen. »Daß es in Algerien überhaupt noch Löwen gibt, trotz der gegenteiligen Meinung des Herrn Bombonnel.«
»Und ob es welche gibt!« rief der Prinz mit dem Ausdruck höchster Begeisterung. »Morgen brechen wir auf und ziehen in die Tiefebenen des Cheliff, da sollen Sie sehen! . . .«
»Wie, Prinz? . . . Sie wollen sich an der Jagd beteiligen, Sie auch?«
»Mein Gott, glauben Sie denn, ich würde Sie so mutterseelenallein ins Innere von Afrika vordringen lassen, mitten unter die wilden Völkerstämme, deren Sprache und Sitten Sie nicht kennen? . . . Nein, das gebe ich nimmermehr zu, mein verehrtester Tartarin! Ich verlasse Sie nun nicht mehr . . . Wo Sie sind, da will ich auch sein.«
Auf der Pirsch
Fast einen Monat lang befand man sich bereits unterwegs. Während dieses ganzen Monats zog der tapfere Tartarin von Siedelung zu Siedelung durch die große vom Cheliff durchflossene Tiefebene, immer auf der Suche nach den Löwen, die sich durchaus nicht finden lassen wollten; nach allen Richtungen durchstreifte er das grausige und seltsame französische Algerien. Hier vereinigen sich die Düfte des alten Orients mit Kasernendunst und Absinthgeruch, halb Abraham, halb Zuave, halb Märchenstück, halb Hanswurstiade, wie eine Seite aus dem alten Testament, erzählt vom Sergeanten La Ramée oder dem Unteroffizier Pitou.
Vor allen Dingen mußte klargestellt werden, ob der Löwe auf dem Gelände des Zivilfiskus oder des Militärfiskus erschossen worden war. Im ersten Falle gehörte der Prozeß vor ein Zivilgericht, im andern Falle jedoch mußte Tartarin vor ein Kriegsgericht gestellt werden, und bei dem bloßen Erwähnen des Kriegsgerichts sah sich der doch gewiß nicht leicht einzuschüchternde Tarasconese im Geiste schon erschossen am Fuße eines Walles oder in einer dunklen feuchten Kasematte umkommen.
Unglückseliger Tartarin! Welch ein Schauspiel harrte hier deiner! Unter den Arkaden, die sich rings um den kleinen Hof zogen, mitten zwischen Weinflaschen, Konfekt, Tabakspfeifen, Tambourins und Gitarren, verstreuten Kissen – stand Baja, ohne blaues Jäckchen und ohne Leibchen, nur in einem Gazehemdchen mit Silberstickerei und weiten, leichten, rosafarbigen Hosen. Sie hatte die Mütze eines Marineoffiziers keck auf das eine Ohr gedrückt und sang das Lied Marco la belle. Zu ihren Füßen auf einer Matte, trunken von Liebe und Champagner, kein anderer als Barbassou, dieser infame Kapitän Barbassou; er lauschte auf den Gesang und wand sich dabei vor Lachen.
Was war das? Kaum zeigte sich der rote Fez des Helden an der Wagentüre, als sich ein so lautes Schreien und Jubeln erhob, daß sämtliche Glasscheiben der Bahnhofshalle zitterten.
»Hoch Tartarin! Es lebe der Löwenjäger!« Trompeten schmetterten, und ein Chor begann eine Jubelhymne zu singen.
Tartarin wußte nicht, wie ihm geschah; zuerst glaubte er, er sei das Opfer einer Täuschung. Aber nein, das konnte nicht sein; ganz Tarascon war ja auf den Beinen, warf die Hüte in die Luft und jubelte. Da war ja auch der tapfere Kommandant Bravida, der früher im Montierungsdepot Dienste getan hatte; der Waffenschmied Costecalde, der Präsident, der Apotheker und die ganze edle Gesellschaft der Mützenjäger, die sich um ihren heimgekehrten Herrn und Meister drängten und ihn im Triumph die Treppe heruntertrugen.
»Wissen Sie, was mir dabei am meisten gefällt?« sagte er nach längerem Überlegen. »Daß es in Algerien überhaupt noch Löwen gibt, trotz der gegenteiligen Meinung des Herrn Bombonnel.«
»Und ob es welche gibt!« rief der Prinz mit dem Ausdruck höchster Begeisterung. »Morgen brechen wir auf und ziehen in die Tiefebenen des Cheliff, da sollen Sie sehen! . . .«
»Wie, Prinz? . . . Sie wollen sich an der Jagd beteiligen, Sie auch?«
»Mein Gott, glauben Sie denn, ich würde Sie so mutterseelenallein ins Innere von Afrika vordringen lassen, mitten unter die wilden Völkerstämme, deren Sprache und Sitten Sie nicht kennen? . . . Nein, das gebe ich nimmermehr zu, mein verehrtester Tartarin! Ich verlasse Sie nun nicht mehr . . . Wo Sie sind, da will ich auch sein.«
Auf der Pirsch
Fast einen Monat lang befand man sich bereits unterwegs. Während dieses ganzen Monats zog der tapfere Tartarin von Siedelung zu Siedelung durch die große vom Cheliff durchflossene Tiefebene, immer auf der Suche nach den Löwen, die sich durchaus nicht finden lassen wollten; nach allen Richtungen durchstreifte er das grausige und seltsame französische Algerien. Hier vereinigen sich die Düfte des alten Orients mit Kasernendunst und Absinthgeruch, halb Abraham, halb Zuave, halb Märchenstück, halb Hanswurstiade, wie eine Seite aus dem alten Testament, erzählt vom Sergeanten La Ramée oder dem Unteroffizier Pitou.
Vor allen Dingen mußte klargestellt werden, ob der Löwe auf dem Gelände des Zivilfiskus oder des Militärfiskus erschossen worden war. Im ersten Falle gehörte der Prozeß vor ein Zivilgericht, im andern Falle jedoch mußte Tartarin vor ein Kriegsgericht gestellt werden, und bei dem bloßen Erwähnen des Kriegsgerichts sah sich der doch gewiß nicht leicht einzuschüchternde Tarasconese im Geiste schon erschossen am Fuße eines Walles oder in einer dunklen feuchten Kasematte umkommen.
Unglückseliger Tartarin! Welch ein Schauspiel harrte hier deiner! Unter den Arkaden, die sich rings um den kleinen Hof zogen, mitten zwischen Weinflaschen, Konfekt, Tabakspfeifen, Tambourins und Gitarren, verstreuten Kissen – stand Baja, ohne blaues Jäckchen und ohne Leibchen, nur in einem Gazehemdchen mit Silberstickerei und weiten, leichten, rosafarbigen Hosen. Sie hatte die Mütze eines Marineoffiziers keck auf das eine Ohr gedrückt und sang das Lied Marco la belle. Zu ihren Füßen auf einer Matte, trunken von Liebe und Champagner, kein anderer als Barbassou, dieser infame Kapitän Barbassou; er lauschte auf den Gesang und wand sich dabei vor Lachen.
Was war das? Kaum zeigte sich der rote Fez des Helden an der Wagentüre, als sich ein so lautes Schreien und Jubeln erhob, daß sämtliche Glasscheiben der Bahnhofshalle zitterten.
»Hoch Tartarin! Es lebe der Löwenjäger!« Trompeten schmetterten, und ein Chor begann eine Jubelhymne zu singen.
Tartarin wußte nicht, wie ihm geschah; zuerst glaubte er, er sei das Opfer einer Täuschung. Aber nein, das konnte nicht sein; ganz Tarascon war ja auf den Beinen, warf die Hüte in die Luft und jubelte. Da war ja auch der tapfere Kommandant Bravida, der früher im Montierungsdepot Dienste getan hatte; der Waffenschmied Costecalde, der Präsident, der Apotheker und die ganze edle Gesellschaft der Mützenjäger, die sich um ihren heimgekehrten Herrn und Meister drängten und ihn im Triumph die Treppe heruntertrugen.
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