Donnerstag, 28. März 2019

Kein Kuss für Mutter von Tomi Ungerer

Tomi Ungerer 1934 in Strassburg im Elsass geboren, als Sohn eines Uhrmachers. 1956 ging er nach New York und arbeitete als Zeichner, Illustrator, Werbegrafiker, Kinderbuchkünstler und Künstler  überhaupt. Er ewrhielt über 50 Auszeichnungen und Preise.
NO KISS FOR MOTHER erschien 1973 bei Harper und Row, Publishers Inc. New York. Die deutsche Ausgabe verlegte der Diogenes Verlag, 1974.



 Sein Wecker hat nicht geläutet, weil Toby ihn gestern nacht auseinandergenommen hat.

 Wütend warf Toby das leblose Uhrgehäuse samt Taschenlampe und Büchsenöffner zum Fenster hinaus.

 In seinem Traum hat er gerade eine purpurrote Maus zwischen zwei Hochzeitstorten in die Enge gejagt.

 "Zeit zum Aufstehen, Honigschneck",ruft Mutter Tatze....

 Toby wäscht sich nicht, weil er das nicht mag.
Zähneputzen mag er auch nicht.

 Und voll neuer Wut zerknautscht und zerkrumpelt er jeden Morgen hinter dem Rücken der Mutter seine Kleider.

 "Frühstück ist fertig, Schätzchen", tönt es zum achten oder neunten Mal aus der Küche.

 "Verschon mich mit deinem SCHÄTZCHEN, Mutter! Da vergeht mir der Appetit", schnauzte Toby.

 Wenn ich an all die armen Katzenkinder auf der Welt denke, die jetzzt in elenden Hinterhöfen hungern und frieren müssen...

 Da gib't's nämlich so was wie Prügel, das sollten Sie wissen, Herr Neunmalklug.

"Zeit zum Gehen", sagt Vater Tatze, der als Aufseher in einer Rattensalamifabrik arbeitet.


Die Windschutzscheibe hat ein Loch.

 Toby steigt aus und winkt seinem Vater zum Abschied.

 In der Schule kennt man Toby als Krakeler.

 Er ist der Unruhestifter in seiner Klasse.


 Er ist so tugendsam und manierlich, dass seine Lehrerin, Fräulein Schnurrepott, besorgt fragt:
"Fehlt unserem Clown irgendwas?"

Er knallt Max eine aufs linke Auge und verpasst ihm einen Kinnhaken.

 Sekundenbruchteile später rollen die beiden krtazend, fauchend, beissend und tretend auf dem Boden.



Der Ausflug ins Krankenzimmer entpuppt sich als eine reine Strafe.
Schwesterv Dragonia, die Schulkrankenschwester, hat nicht eben das, was man eine sanfte Hand nennt.

Tobys Ohr muss genäht werden.

"Ich muss schon sagen Dragonia - das Weib ist regelrecht bösartig!"

 Heute ist Frau Angora Tatzes Einkaufstag.

 "Bei Hulda" ist das beste Restaurant der Stadt.

 "Toby! Mein Junge, mein Toby!" schreit sie.

"... Wir müssen ins Krankenhaus", ruft sie.
"Taxi, Taxi, hierher!"

 Das von Frau Tatze herbeigerufene Taxi wartet am Strassenrand.

 In plötzlich aufloderndem Zorn tritt sie vor und -Klatsch!- bringt sie ihren Sohn mit einer Ohrfeige zum Schweigen.

 Das essen bei Hulda kommt ihnen endlos und fade vor.

 In der Nachmittagspause geht Toby zu seinem Schrank und holt zwei Stinkbomben, eine Schnellfeuerschleuder und eine Kollektion Knallfrösche heraus.
Dann ruft er seine Freunde und sagt:
"Ich brauche Geld. Alles hier ist zu verkaufen".

 "Ich möchte welche von den gelben Rosen da", sagt er und legt sein ganzes Geld auf den Ladentisch.

 Als Toby nach Hause kommt, steht seine Mutter am Küchentisch und schuppt gerade Sardinen.
...Er zieht den Strauss heraus und legt ihn auf den Tisch vor seine mutter hin.

"Oh, wie schön!" ruft sie,
"So eine Überraschung. Sind die für mich?"
"ja, wenn du mir keinen Kuss dafür gibst", sagt Toby.


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