Mittwoch, 10. Juni 2015

1.Teil; Jules Verne: Das Land der Pelze illustriert von Zdenek Burian und von Jules Férat und Alfred Quesnay de Beaurepaire

Man sollte Jules Verne nicht nur auf die bekannten Werke wie z.B. 20'000 Meilen unter Meer oder In 80 Tagen um die Welt beschränken, denn er schrieb viele weitere Abenteuerromane, die genau so lesenswert sind, aber leider in der breiten Öffentlichkeit nicht mehr wahrgenommen werden. Eine dieser vergessenen Abenteuergeschichte ist Le Pays des Fourrures (Das Land der Pelze). Das Werk erschien zuerst in der Zeitschrift Magasin d'Education et de Récréation (20. Septembre 1872 bis 15. Dezember 1873), und etwas später als ein Band bei Hetzel. Die Illustrationen stammen von Jules Férat und Alfred Quesnay de Beaurepaire. 

 Magasin d'Education et de Récréation

Titel der Originalausgabe:
Le Pays des Fourrures (Paris 1872/73)

Titelblatt

Die tschechische Ausgabe mit Bildern von Zdenek Burian erschien 1950.

Am Morgen des 16. April erwarteten die angespannten Hunde vor dem äußeren Tor des Forts nur noch die Reisenden. Captain Craventy hatte die zum Detachement gehörenden Mannschaften versammelt und richtete an sie einige herzliche Worte. Vor allen Dingen empfahl er ihnen die vollkommenste Einigkeit mitten in den Gefahren, denen sie zu trotzen berufen waren. Die Unterordnung unter ihre Führer war eine unabweisliche Bedingung für dieses Unternehmen, eine Sache der Entsagung und Ergebenheit. Ein Hurra antwortete der Rede des Captains. Dann sagte man kurz Lebewohl, und jeder nahm in dem ihm vorher bezeichneten Schlitten Platz.

Zwei stolze Damhirsche aber waren auf dem Schlachtfeld zurückgeblieben. Mit gesenkten Köpfen, Geweih gegen Geweih, die Hinterfüße kräftig einge stemmt, boten sie sich die Spitze. Wie zwei Kämpfer, die sich nicht loslassen, bis einer unterliegt, drehten sie sich nur auf den Vorderfüßen, so als ob sie aneinandergenietet wären.
»Oh, welche Erbitterung!« rief Mrs. Barnett.

Zwei bis drei Indianer – darunter deren federngeschmückter Häuptling, der sie in genügend verständlichem Englisch ansprach – kamen ihnen entgegen.
Die Hasen-Indianer ebenso wie die Kupfer-, die Biber-Indianer und andere gehören alle zum Stamm der Chippeways und unterscheiden sich in Kleidung und Lebensweise nur wenig voneinander.

In diesem Augenblick brach die Woge auch mit Donnertoben über ihnen zusammen. Einer Brandung ähnlich flutete sie über das Schiffchen, dessen Heck vollständig begraben wurde. Ein furchtbarer Stoß wurde fühlbar, den ein Schrei von den Lippen des Lieutenants und der Mrs. Paulina Barnett, die unter dem Wasserberg verschwanden, begleitete. Sie mußten annehmen, daß das Boot jetzt unterging.
Dennoch erhob es sich, zu drei Vierteln mit Wasser gefüllt, wieder ..., aber der alte Seemann war verschwunden

Petersen, Belcher, Raë, Garry, Pond, Hope und Kellet bildeten eine Gesellschaft geschickter und eifriger Zimmerleute unter Führung Mac Nabs, eines Schotten aus Stirling, der in der Konstruktion von Häusern und auch von Schiffen sehr erfahren war. Werkzeug, wie Beile, Queräxte, Lochsägen, Hebel, Hohlbeile, Armsägen, Schlägel, Hämmer, Meißel usw., waren in Überfluß zur Hand.

Jene großen Exemplare schienen mißtrauisch zu werden und eine nahende Gefahr zu wittern. Sie hoben die Köpfe in die Höhe und sahen sich nach allen Seiten um.

Erstaunt wich Jasper Hobson zurück. Er hatte den zweiten Schuß aus Sergeant Longs Gewehr gekommen geglaubt, und jetzt stand er vor einem vollkommen fremden Jägersmann, dessen Büchsenlauf noch rauchte.Die beiden Rivalen maßen sich mit den Augen. Mrs. Paulina Barnett und ihr Begleiter kamen hinzu...


Marbre hatte sich nicht getäuscht, die Bären hatten das Dach des Hauses erstiegen. Man hörte sie laufen und brummen. Manchmal schlugen sie mit den Tatzen durch die Eiskruste und kratzten an den Planken des Dachs, dessen Durchbrechen man bei der Kraft dieser Tiere wohl befürchten mußte.



Illustrationen der französischen Ausgabe von Férat und De Beaurepaire

Wie viele Lobsprüche ernteten die Joliffeschen Eheleute an diesem Abend! Aber welche Tätigkeit und Liebenswürdigkeit entfalteten sie auch! Sie schienen sich zu vervielfältigen. Mit welcher Freundlichkeit besorgten sie die Verteilung der Herzstärkungen; sie erwarteten die Wünsche eines jeden gar nicht, sie kamen ihnen zuvor.

 Lieutenant Hobson war ein Mann von 40 Jahren. Klein und mager, besaß er keine besondere Körperkraft, seine geistige Energie half ihm aber über alle Prüfungen und Unfälle hinweg. Er war ein »Kind der Company«.

 »Los! Joliffe!« rief nun Captain Craventy. Sofort flammte unter dem Jubel der Umstehenden das Meer von Punsch in die Höhe. 2 Minuten später wurden die gefüllten Gläser umhergereicht, die stets eifrige Abnehmer fanden. »Hurra! Hurra! Der Mrs. Paulina Barnett! Ein Hurra für unseren Captain!«

 »Was ist mit diesem Sack?«
»Das ist mein Reisender.«
»Und wer ist er?«
»Der Astronom Thomas Black.«
»Aber er ist erfroren!«
»Nun, dann tauen wir ihn wieder auf.«

Sergeant Long war zurückgekommen, und er und Joliffe frottierten nun den Neuankömmling auf eine Weise, die dieser vorher sicher nicht gewöhnt war. Das war kein sanftes Abreiben oder Einsalben mehr, sondern ein handfestes Kneten, das mehr an die Bearbeitung mit einem Striegel als mit der Hand erinnerte.

 Der nun wieder warm zugedeckte Thomas Black richtete sich halb auf, stützte sich auf einen Ellenbogen und sagte mit schwacher Stimme: »Fort Reliance?«
»Ist hier«, erwiderte der Captain.

Captain Craventy hatte die zum Detachement gehörenden Mannschaften versammelt und richtete an sie einige herzliche Worte.

 »Es geht gut«, sagte da Jasper Hobson zum Sergeant, der ruhig neben ihm saß, als stände er »Gewehr auf Schulter«, »die Fahrt läßt sich gut an. Der Himmel ist günstig, die Temperatur mäßig, unsere Bespannung läuft wie ein Expreßzug, und wenn diese gute Witterung anhält, wird unsere Überfahrt ohne Hindernis verlaufen.

 Gleichzeitig warfen sich die Hunde nach der Seite, der Schlitten stürzte um, und die Insassen rollten in den Schnee, der zum Glück tief genug war, um sie keinen Schaden nehmen zu lassen.

Mrs. Paulina Barnett und Jasper Hobson benutzten die Mußezeit, um die Ufer des kleinen Sees kennenzulernen.

Der Kampf der Wapitis setzte sich indessen mit Erbitterung fort. Die Tiere hatten das Erscheinen der Jäger, das dem Streit wahrscheinlich auch kein Ende gemacht hätte, offenbar nicht bemerkt. Marbre und Sabine, die schon wußten, mit welch blinden Kämpfern sie es zu tun hatten, konnten sich also ohne Scheu nähern und bequem schießen.

 Der Lieutenant war sehr unruhig, ohne es äußerlich durchblicken zu lassen, und während die Hunde seinen Schlitten nur mit großer Mühe dahinzogen, unterhielt er sich mit Sergeant Long, der die Vorzeichen des Sturms nicht so sehr wahrnahm.

Es galt jetzt in den dichten Eismassen sogenannte »Schneehäuser« auszuhöhlen, oder vielmehr nur Löcher, in die sich alle während der Dauer des Sturms bergen könnten. Die Äxte und Messer waren schnell in Tätigkeit, die mürbe Masse anzugreifen.

 48 Stunden lang nahm der Sturm an Heftigkeit zu. Der Wind heulte durch den Engpaß und entriß den Eisbergen ihre Gipfel. Ein Donner, den das Echo zwanzigfach wiedergab, bezeichnete den Sturz der Eislawinen.

 Mrs. Paulina Barnett und Jasper Hobson begaben sich also nach dem Lager dieser Hasen-Indianer, das eine halbe Meile vom Ufer entfernt lag.

 Da brach der Sturm los. Weit neigte sich das Schiffchen auf die Seite, erhob sich dann wieder und tanzte auf einem Wellenberg.

 Alle beide verschwanden in dem Schaum, der über das plötzlich sinkende Boot zusammenwirbelte. Nach wenigen Augenblicken tauchten sie wieder an der Oberfläche auf. Kräftig schwamm Jasper Hobson mit dem einen Arm und umschlang seine Begleiterin mit dem andern.

Welche Tollköpfe wagten es wohl, ihm hier zu Hilfe zu kommen? Doch, wer sie auch waren, sie mußten ja zu spät kommen.

Jasper Hobson hielt sofort an und zeigte seinen Gefährten mit der Hand das grenzenlose Meer.

Jasper Hobson war nicht minder befriedigt als Corporal Joliffe, als er mit diesem die Fußstapfen solcher Wiederkäuer auffand, die sich dadurch leicht von anderen unterscheiden, daß die innere Huffläche, ähnlich der des Kamels, einen konvexen Abdruck hinterläßt.

Die Jäger, denen jede andere Jagd streng untersagt war, stillten also ihre Lust am Federvieh.

»Nein«, antwortete Mrs. Joliffe, »das sind Fußspuren einer tanzenden Person!«
Mrs. Joliffe hatte vollkommen recht.

 Ein provisorisches Lager, zu dem man auf den Schlitten alles nötige mit sich führte, wurde für die Nacht am Ufer der Lagune aufgeschlagen.

 Es gibt doppelten Sold, wenn Sie sich oberhalb des 70. Breitengrads festsetzen!

 Nachdem man über den Platz einig geworden war, grenzten Jasper Hobson und Mac Nap den Umriß des Hauses mittels einer Schnur ab.

 Mac Nap suchte zunächst geeignete Baumstämme aus. Auf den Hügeln fand er den schottischen sehr ähnliche Kiefern in großer Menge.

 Nicht selten schloß sich ihnen auch die unermüdliche Mrs. Paulina Barnett an, handhabte ihr Gewehr mit allem Geschick und stand nach keiner Seite hinter ihren Jagdgefährten zurück.

 Ob er die Fische nun sich an seinem Köder festbeißen oder auch seine Schnur mit leeren Haken durch das Wasser streifen ließ – niemand konnte an Geschick oder Geduld mit ihm wetteifern, höchstens Mrs. Barnetts Begleiterin, die getreue Madge.

Um 8 Uhr morgens brach man auf. Zwei mit je sechs Hunden bespannte Schlitten folgten der kleinen Gesellschaft, um die Körper der erlegten Amphibien zum Fort zurückzubefördern.

Binnen einer Viertelstunde hatten die drei den höchsten Punkt erreicht. Von hier aus konnten sie die ganze Landschaft, die sich rund umher entfaltete, überschauen.

Jene großen Exemplare schienen mißtrauisch zu werden und eine nahende Gefahr zu wittern. Sie hoben die Köpfe in die Höhe und sahen sich nach allen Seiten um. Aber bevor sie noch Zeit zu einem Warnungssignal hatten, stürzten Jasper Hobson und Kellet von der einen, Petersen, Hope und der Sergeant von der anderen Seite hervor und erlegten durch ihre Kugeln fünf Walrosse, denen sie mit den Messern vollends den Garaus machten, während die übrige Herde sich so schnell wie möglich ins Meer stürzte.

 Erstaunt wich Jasper Hobson zurück. Er hatte den zweiten Schuß aus Sergeant Longs Gewehr gekommen geglaubt, und jetzt stand er vor einem vollkommen fremden Jägersmann, dessen Büchsenlauf noch rauchte. Die beiden Rivalen maßen sich mit den Augen. Mrs. Paulina Barnett und ihr Begleiter kamen hinzu...

Die Reisende nahm es also mit einem Dank gegen den Fremden an.
Dieser verneigte sich noch einmal vor Mrs. Paulina Barnett, grüßte die Engländer und verschwand, gefolgt von seinen Begleitern, hinter den Uferfelsen.

 Es gibt aber auch nichts Erhabeneres als diesen Eintritt der kalten Jahreszeit, diese Inbesitznahme der Polarländer durch den Winterfrost.

Mrs. Mac Nap gab einem tüchtigen, wohlgestalteten Jungen das Leben, den der Meister Zimmermann stolz umherzeigte. Mrs. Paulina Barnett wurde die Patin des kleinen Bürschchens, dem man die Vornamen »Michael Hope« gab. Die Taufzeremonie verlief mit möglichster Feierlichkeit, und zu Ehren des kleinen Wesens, das oberhalb des 70. Breitengrads das Licht der Welt erblickt hatte, wurde der ganze Tag als Festtag begangen.

Für gewöhnlich las Mrs. Paulina Barnett zum großen Vergnügen ihrer Zuhörer vor.

Das war das Werk einer halben Stunde, und bald befanden sich alle Wintergenossen, mit Ausnahme von Mrs. Mac Nap, die noch nicht aufstand, im inneren Hofraum.

Es war ein riesiges Exemplar von 6 Fuß Höhe und mindestens 600 Pfund Gewicht, das eine ungeheure Stärke besessen haben mußte.

 Im selben Augenblick verließen einige lebende Wesen auf dem Schnee kriechend die Hütte. Es waren Eskimos; ob aber Männer oder Frauen, das hätte nur ein Stammesgenosse sagen können, so wenig unterschieden sie sich in der Kleidung.


 Der Abschied war rührend. Sie ließ Mrs. Paulina Barnett eine kupfernen Ring zum Andenken und erhielt dafür ein Halsband aus schwarzem Gagat, mit dem sie sich auf der Stelle schmückte.

 »Das ist noch schöner als ein Nordlicht!« rief Mrs. Paulina Barnett.

 Marbre hatte sich nicht getäuscht, die Bären hatten das Dach des Hauses erstiegen. Man hörte sie laufen und brummen. Manchmal schlugen sie mit den Tatzen durch die Eiskruste und kratzten an den Planken des Dachs, dessen Durchbrechen man bei der Kraft dieser Tiere wohl befürchten mußte.

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The Fur Country is part of a series of fifty-four novels under the title Voyages Extraodinaires written by the French novelist, poet and playwright, Jules Verne, best known for his adventure stories. The books were published between 1863 and 1905. Verne's aim was to portray, describe and document all the contemporary scientific knowledge that was available at the time and present it in an entertaining and comprehensive manner so that the common man could appreciate it. The wealth of real information, scientific facts and details available in these books made them become known as “encyclopedic novels".
Originally published in two volumes, The Fur Country was illustrated by the celebrated pair, Jules Ferat and Alfred Quesnay de Beaurepaire. The first English translation was published in 1873 and it was translated from the original French by Mrs. Nancy Bell. The English title was The Fur Country or Seventy Degrees North Latitude.

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