Donnerstag, 27. April 2017

Moritz Kennel: Bilder zu Tatzelwurm und Alpruoch

Kinderbücher, mit denen wir aufgewachsen sind, verschwinden und fallen dem Vergessen anheim. Sicher, einige werden wieder neu aufgelegt, aber die meisten verschwinden. Dazu gehören Bilderbücher illustriert von Schweizerkünstlern wie Moritz Kennel, Hugo Laubi und Herbert Leupin. Es isr mir ein Anliegen gelegentlich eines ihrer Bilderbücher vorzustellen.

Eine Geschichte aus dem Berner Oberland

Das Chrüüterkätterli erzählt den Kindern von Guttannen im Haslital zuerst vom Tatzelwurm...

Und dann berichtet das Chrüüterkätterli noch vom schlimmen Alpruoch, dem bösen Geist in den Bergen...

Hier steht der Sämi und führt seinen Esel Gumpelstyf in den Stall. Die alte Kräuterfrau steht vor ihm und zeigt zur Grimsel hinauf.


Nach Feierabend macht sich der Sämi wieder wichtig vor seinem Kameraden. Hört nur , wie er aufschneidet: "Sooo gross war sein Bart - wie ein Baum...

"Sämi, spring ins Maiensäss, hol' den feinen, runden Chäs!....
So trabt der Gumpelstyf mit den leeren Körben bergwärts ins Maiensäss, und Sämi treibt ihn mit "Hojee!" und mit "Hüh-Holla-Hüh!" an.

Tief schnauft der Alpruoch die kalte Bergluft in seine Nase ein, und er schnauft den Sämi mit auf seinen Schnauz hinauf.



Doch Stüdeli mit beiden Händen ruft "Sämeli!" nach allen Enden.

Frau Tatzelwurm ist gar nicht wütig -
"Komm nur herein!" so sagt sie gütig.
"Ich weiss, du willst den Sämi sehn;
doch dem ist wirklich recht geschehn.

Stüdeli geht in die Höhle des Tatzelwurms und kommt aus dem Stauenen nicht heraus.

Da liegt ein Munggeli in der Ecke und macht ein weinerliches Gesicht. Die TRänen rennen ihm kugeldicht aus den Augen. Denn soeben hat ihm Frau Tatzelwurm den kranken Backenzahn ziehen müssen.

Und was ist in der Turmhöhle nicht sonst alles an Tiren und Waldvögeln zu sehen!



Flügel hefte ich mir an, dass ich wieder fliegen kann. So nur kommich schnell und gleich in des Alpruochs Machtbereich.

...Ihr solltet ein Mieder anlegen, lieben Frau Tatzelwurm!" ruft er. "Dann werdet Ihr eine wenig schlanker!"




Da wird der Alpruoch noch wütender. Mit beiden Händen greift er in die Sturmwolken und zerrt sie so heftig  auseinander, dass gleich zwölf glühende Blitze ins Tal sausen.

Laut ruft er die Wassergeister zu Hilfe. Mit seinen riesigen Armen langt er rechts und links über die vereisten Gipfel und Gräte und schöpft die grünen Bergseen aus. Durch hohle Hände lässt er jetzt Bäche und Sturzwasser niederfliessen.

...und stopft dem Tatzelwurm den Schlund!" So tobt der wilde Ruoch.
Der Zweikampf beginnt, und es tobt und kracht und lärmt und splittert.

Der Riese sinkt zusammen, fällt hintenüber auf den Fieschergletscher und bleibt dort ganz traurig sitzen. Denn ein Alpruoch ohne Bart - vor dem laufen nicht einmal die Schneeehasen davon.



Da kommt ein Tier, gross wei ein Haus:  Frau Tatzelwurm, ach, sie muss hinken. Von oben tut der Sämi winken. Das Stüdeli ist auch dabei -




Samstag, 8. April 2017

Gustave Doré: Illustrationen zu Münchhausen, 2.Teil




Endlich fügte sichs, dass einer meiner mütterlichen Verwandten uns besuchte. Ich wurde bald sein Liebling...

Indes,sowie sich der Orkan legte, fiel jeder Baum senkrecht in seine Stelle und schlug sogleich wieder Wurzel, so dass kaum eine Spur der Verwüstung zu sehen war. Nur der grösste machte hiervon eine Ausnahme. Als er durch die plötzliche Gewalt des Sturms aus der Erde ausgerissen wurde, sass gerade ein Mann mit seinem Weibe auf den Ästen deselben...

...und wollte gerade wieder durch seinen Garten zurückgehen, als dieser Baum herniedersauste und ihn, glücklicherweise, auf der Stelle totschlug.

In seinen Vorratshäusern verfaulten die Lebensmittel, während seine Untertanen, denen sie abgepresst waren, vor Hunger verschmachteten.

...allein nichtsdestweniger regierten sie so löblich, dass, wie ich in der Folge erfuhr, niemand Gurken ass, ohne zu sprechen: Gott erhalte den Kaziken.

Ich sah zurück und wurde fast versteinert, als ich einen ungeheuren Löwen erblickte, der gerade auf mich zukam....

...wenige Schritte vor mir steht ein scheusslicher Krokodil, der schon fürchterlich seinen Rachen aufsperrte, um mich zu verschlingen.

...zu meiner unaussprechlichen Freude finde ich, dass der Löwe in der Hitze, in der er auf mich losschoss, in ebendem Augenblick, in dem ich niederstürzte, über mich weg in den Rachen des Krokodils gesprungen war.

Nach gegenseitigen Glückwünschen massen wir den Krokodil und fanden ihn genau vierzig Pariser Fuss sieben Zoll lang.
(Man beachte, Gottfried August Bürger braucht Krokodil als männliches Substantiv: der Krokodil, nicht wie heute üblich, das Krokodil.)

Die Haut des Krokodils wurde auf die gewöhnliche Art ausgestopft und macht nun eine der grössten Merkwürdigkeiten in dem Museum zu Amsterdam aus, wo der Vorzeiger die ganze Geschichte jedem, den er herumführet erzählt.


Ein Kutscher...sass gravitätisch auf dem Bocke und klatschte mit seiner Peitsche ein ebenso deutliches als künstliches: Georg Rex.



Ob das Loch gleich so gross war, so füllte ich es dennoch mit meinem Liebwertesten aus, ohne meine Beinkleider abzuziehen...meine Situation, solange ich auf der Brille sass, war zwar ein wenig kühl, indessen ward ich doch bald durch die Kunst des Zimmermannes erlöst.


Unmöglich lässt sich das Erstaunen auf allen Gesichtern lebhaft genug schildern, als sie eine Menschenstimme aus einem Fische heraus vernahmen. Dies wuchs natürlicherweise noch mehr, als sie lang und breit einen nackenden Menschen  heraus spazieren sahen.


Stellen sie sich meine Verwunderung vor, als ein niedlich vergoldeter Wagen, hängend in einem ungeheuren Ballon, grösser als die grösste Turmkuppel im Umfange, ohngefähr zwei Klafter weit von meiner Barke heruntersank.

"Dieses Luftfuhrwerk hatte ich zwar nicht Kopf und Wissenschaft genug selbst zu erfinden, dennoch aber mehr denn überflüssige Luftspringer- und Seiltänzerwaghalsigkeit zu besteigen und darauf mehrmals in die Luft emporzufahren.

...um von oben herab vor den Augen vieler tausend Nachgaffer Kunststücke damit zu machen.


Nicht fern vom Wege auf einem schönen Grasrain lag mäuschenstill ein Kerl, als ob er schliefe. Allein das tat er nicht.  ERr hielt vielmehr sein Ohr so aufmerksam zur Erde, als hätte er die Einwohner der untersten Hölle behorchen wollen.

Wer meine Passion für das edle Schützen- und Weidwerk kennt, den wird es nicht wundernehmen, dass ich dem vortrefflichen Schützen sogleich um den Hals fiel.

"O, ich soll Bauholz holen und habe meine Axt zu Hause vergessen. Nun muss ich mir so gut helfen, wie es angehen will."

Nicht weit davon entfernt zur Rechten stand ein Kerl von Sir John Falstaffs Korpulenz und hielt sein rechtes Nasenloch zu.

"Um Vergebung, Ihro Exzellenz! " antwortete mir der Mensch; "ich mache da meinem Herrn, dem Windmüller, ein weing Wind."


Ich wurde von dem  Grossherrn überaus gnädig empfangen...

...und hatte die Ehre seinem Harem zu sehen.



...und des Verbotes ungeachtet, weissmancher Türke so gut als der beste deutsche Prälat, wie ein gutes Glas Wein schmeckt.



Zu meinem nicht geringen Schrecken meldete er mir, dass der Schlingel irgendwo, allein weit weg von hier, in tiefsten Schlafe läge und aus Leibeskräften schnarche.



"Lassen sich Ihro Exzellenz nicht bange sein!" Er trat darauf auf das Hinterdeck meines Schiffes, so dass sein eines Nasenloch nach der türkischen Flotte, das andere aber auf unsere Segel gerichtet war, und blies eine so hinlängliche Portion Wind, dass die Flotte, an Masten, Segel- und Tauwerk gar übel zugerichtet, nicht nur bis in den Hafen zurückgetrieben, sondern auch mein Schiff in wenig Stunden glücklich nach Italien getrieben ward.

Der Rest wurde mir auf meiner Reise nach Rom auf der geheiligten Flur von Loretto durch eine Bande Strassenräuber abgenommen.
Nun aber, meine Herren, ist im der Tat mein Schlafstündchen da. Schlafen Sie wohl!